Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2022 insgesamt 810 978 Patient:innen vollstationär in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern behandelt.
Wir stellen Ihnen die wichtigsten Gründe vor, die für eine stationäre psychosomatische Behandlung sprechen.
Indikation einer stationären Therapie
Generell gilt: Eine ambulante Psychotherapie hat immer Vorrang vor einer stationären Therapie.
Eine stationäre Behandlung an einer psychosomatischen Klinik ist indiziert, wenn die Weiterbehandlung mit ambulanten Maßnahmen nicht mehr ausreicht. Wenn also eine ambulante Therapie nicht für eine ausreichende Stabilisierung oder Besserung sorgen kann. Oder wenn eine ambulante Psychotherapie nicht wahrgenommen werden kann, z.B. wegen zu langer Wartezeit.
Die medizinische Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung muss über eine:n ambulante:n Psychotherapeut:in, über eine:n Fachärzt:in oder über eine:n Allgemeinmediziner:in verordnet werden.
Sie brauchen also eine Krankenhauseinweisung mit einer entsprechenden Diagnose, um an einer psychosomatischen Klinik aufgenommen zu werden.
Tatsächlich kann es sehr sinnvoll sein, sich frühzeitig stationär behandeln zu lassen. Damit kommen wir zu den 12 Gründen für einen Klinikaufenthalt.
12 Gründe für eine stationäre psychosomatische Therapie:
Lesen Sie bitte die folgenden Gründe aufmerksam durch. Was trifft auf Sie zu?
Grund 1:
Sie fühlen sich bereits seit langer Zeit sehr belastet. Psychisch, wie körperlich. Eine deutliche Besserung trat bisher nicht ein.
Sie waren deswegen bereits bei Ärzt:innen. Doch eine Besserung blieb bis jetzt aus.
Ein Beispiel: Sie haben Schlaf- und Konzentrationsprobleme, fühlen sich oft antriebslos und erschöpft. Sie müssen sich täglich zu allem aufraffen. Ihr Appetit ist Ihnen verloren gegangen und Sie haben das Gefühl mit keinem über Ihren Zustand reden zu können. Medizinisch ist alles abgeklärt, doch bisher konnte Ihnen keiner eindeutig sagen, was Ihnen fehlt.
Grund 2:
Sie leiden unter psychischen Problemen, die sich auch auf Ihren Körper auswirken.
Ein Beispiel: Sie leiden unter einer sozialen Phobie. Ihre Ängste machen Ihnen so zu schaffen, dass Sie unter anhaltender Anspannung und körperlicher Unruhe, wiederkehrenden Kopfschmerzen oder Migräne und Rückenschmerzen leiden.
Grund 3:
Es gibt verschiedene Belastungen in Ihrem Leben, die sich negativ auf Ihr Wohlbefinden und Ihre Lebensqualität auswirken.
Sie stecken buchstäblich in einer Lebenskrise oder in einer Sackgasse, aus der Sie alleine nicht mehr herauskommen.
Ein Beispiel: Sie sind seit 15 Jahren verheiratet, aber schon lange nicht mehr glücklich in Ihrer Ehe. Doch nach außen hin stellen Sie sich glücklich und kraftvoll. Zudem haben Sie einen schweren Verlust vor zwei Jahren erlitten, von dem Sie sich bis heute nicht erholen konnten. Auch beruflich fühlen Sie sich ausgebrannt, es fehlt Ihnen an Möglichkeiten Kraft zu tanken, zur Ruhe zu finden und sich um sich selbst zu kümmern.
Grund 4:
Aufgrund Ihres belasteten Zustandes kommt es wiederholt zu Fehlzeiten auf der Arbeit. Trotz langer Fehlzeiten erleben Sie keine ausreichende Regeneration.
Ein Beispiel: Immer wieder lassen Sie sich krankschreiben. Hier mal eine Woche, da mal zwei Wochen. Oder sogar mal einen Monat am Stück. Sie merken, dass Sie schnell am Ende Ihrer Kräfte ankommen und zudem anfälliger für Infekte geworden sind. Durch die Krankschreibungen hoffen Sie, dass sie wieder zu Kräften kommen. Doch letztlich kehren Sie belastet und ausgebrannt an Ihren Arbeitsplatz zurück.
Grund 5:
Sie sind in medizinischer oder therapeutischer Behandlung, doch leider ohne deutliche Besserung. Sie stagnieren in der ambulanten Behandlung.
Ein Beispiel: Sie sind in ambulanter Psychotherapie oder nehmen bereits seit einiger Zeit ein Antidepressivum und dennoch geht es Ihnen schlecht. Ihre Beschwerden dominieren weiterhin den Alltag und schränken Sie deutlich ein.
Grund 6:
Trotz medizinischer oder therapeutischer Behandlung verschlechtert sich Ihr Zustand. Ihr Leidensdruck wird immer größer.
Ein Beispiel: Sie sind seit 9 Monaten in ambulanter Therapie, Sie gehen wöchentlich zu Ihren Terminen und haben sich auch in einer Selbsthilfegruppe angemeldet. Obwohl Sie sich viel Mühe geben, dass sich Ihr Zustand bessert, passiert nichts. Im Gegenteil, Ihr Zustand verschlechtert sich (schleichend).
Grund 7:
Sie haben (immer größere) Schwierigkeiten bei der Bewältigung Ihres Alltages.
Ein Beispiel: Ihre beruflichen und privaten Aufgaben, Verpflichtungen und soziale Rollen wachsen Ihnen über den Kopf hinaus. Es ist zu viel und Sie haben das Gefühl von den letzten Fetzen Ihrer Ressourcen zu zehren. Selbst kleine alltägliche Dinge wie Essenzubereiten oder Duschen kosten Sie inzwischen Kraft und Überwindung.
Grund 8:
Ihre Stimmung ist sehr bedrückt, Sie erleben Sinnlosigkeitsgedanken oder haben lebensmüde Gedanken oder Wünsche. Es besteht die Gefahr einer Selbst- oder Fremdgefährdung. Sie benötigen ein intensives Behandlungsspektrum.
Ein Beispiel: Sie empfinden Ihr Leben als sinnlos und Ihre Gedanken an den Tod werden zu einem konkrete Suizidplan. Sie sind nicht mehr in der Lage gute Entscheidungen für sich zu treffen. Oder Sind sind inzwischen so kraftlos und antriebslos, dass Sie sich nicht mehr ausreichend um Ihre Kinder kümmern können. Es droht Vernachlässigung oder sogar Gefährdung. Sie benötigen dringend einen geschützten Raum mit intensiver ärztlicher Betreuung, sodass Ihr Leben und das Wohl anderer geschützt wird.
Grund 9:
Ihre Ärzt:in oder Psychotherapeut:in hat Ihnen eine stationäre psychosomatische Therapie empfohlen.
Ein Beispiel: Ihre ambulante Therapie läuft langsam aus, aber eine deutliche Besserung haben Sie bisher nicht erlebt und benötigen weiterhin professionelle Unterstützung. Ihr:e Therapeut:in ist wachsam und hat Ihnen einen Klinikaufenthalt empfohlen, um eine weitere Stabilisierung zu erreichen und so eine Wartezeit auf eine andere ambulante Behandlung zu überbrücken.
Grund 10:
Eine örtliche Trennung von Ihrem privaten und beruflichen Umfeld wäre sinnvoll oder sogar notwendig, um Ihre Probleme besser zu bewältigen.
Ein Beispiel: Zu Hause sind Sie Everybody’s Darling: immer präsent und immer am funktionieren. Doch es gibt auch Probleme in Ihrem Umfeld und diese schlucken Sie immer wieder herunter. Sie merkst, dass ein gewisser Abstand Ihnen helfen könnte, endlich wieder durchatmen zu können. Endlich wieder zu sich zu finden. Endlich mal Zeit für sich zu haben und sich gewisser Dinge bewusst zu werden.
Grund 11:
Ihre Mitmenschen vermuten, dass Ihr privates oder berufliches Umfeld Ihnen schadet. Ihre Mitmenschen empfehlen Ihnen auf Abstand zu gehen.
Ein Beispiel: Sie sind gut darin zu verdrängen, was um Sie herum geschieht. Doch andere Menschen sagen Ihnen, dass etwas in Ihrem privaten oder beruflichen Umfeld ganz und gar nicht stimmt. Sie merken, dass Ihr Umfeld zu Ihren Beschwerden beiträgt und haben erkannt, dass Sie dringend aus Ihrem Umfeld rausgebracht werden sollten.
Grund 12:
Die Wartezeiten für eine ambulante Psychotherapie sind sehr lang. Doch Sie brauchen dringend professionelle Hilfe.
Ein Beispiel: Sie haben erkannt, dass es gute Gründe für eine ambulante Therapie gibt. Doch leider sind Sie schon seit über 6 Monaten erfolglos auf der Suche nach einem freien Therapieplatz. Noch länger zu warten wäre inzwischen unerträglich für Sie oder auch Ihre Angehörigen.
Reflektion der Gründe
Welche der 12 Gründe haben auf Sie zugetroffen? Wo haben Sie sich wiedererkannt?
Gab es einen Grund, der Sie überrascht hat?
Tatsächlich sind diese Gründe den meisten unter uns eher unbekannt oder unklar. Wir denken bei einer Klinik an eine „Irrenanstalt“ oder an ein „Abstellgleis“. Aber das ist Quatsch!
Eine psychosomatische Klinik hat nichts mit einer Psychiatrie wie aus einem Horrorfilm zu tun. Eine psychosomatische Klinik ist ein Ort, an dem sich intensiv um Ihre psychische und körperliche Gesundheit gekümmert wird. Zeitlich gebündelt erfahren Sie dort eine Kombination aus verschiedenen Therapien und bekommen so die Chance sich intensiv um sich selbst zu kümmern.
Die Gründe für einen Klinikaufenthalt ähneln sehr den Gründen für eine ambulante Psychotherapie.
Wie viele Gründe sind Grund genug?
Oft werden wir gefragt, wie viele Gründe zutreffen müssen, um eine stationäre Therapie zu rechtfertigen. Unsere Antwort ist eindeutig:
Einer der hier genannten 12 Gründe rechtfertigt bereits eine stationäre Therapie.
Nicht die Anzahl der Gründe ist entscheidend. Es ist entscheidend, wie stark Ihre Lebensqualität leidet, wie gering Ihre Kraftreserven geworden sind und vor allem wie hoch Ihr Leidensdruck bereits ist. Es ist entscheidend, wie lange Sie bereits im Durchhaltemodus stecken und sie hoch Ihr Wunsch nach positiver Veränderung ist.
Selbst wenn kein:e Therapeut:in und kein:e Ärzt:in bisher auf die Idee gekommen ist, mit Ihnen über eine stationäre psychosomatische Therapie zu sprechen, heißt es noch lange nicht, dass es dafür keine Gründe gibt.
Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit.