Die Entscheidung für eine stationäre Psychotherapie (z.B. an einer psychosomatischen Klinik) ist sicherlich ungewöhnlich und möchte wohl überlegt sein. Neben privaten und beruflichen Hürden gibt es zahlreiche Vorurteile gegenüber (stationärer) Psychotherapie. Dazu kommen noch all die persönlichen Zweifel, ob eine stationäre Therapie wirklich der richtige Schritt ist.
Je näher der Beginn einer stationären Therapie rückt, desto größer werden Nervosität und Angst. Es fühlt sich endgültig an, es wird nun ernst. Viele Fragen schießen durch den Kopf: „Wie wird die Zeit in der Klinik sein? Wird es mir weiterhelfen? Habe ich mich richtig entschieden? Was erwartet mich? Halte ich es so lange aus, von zu Hause weg zu sein?“ Und noch so viele Fragen mehr.
Ob sich der Klinikaufenthalt lohnt, erfährst Du, wenn Du einer stationären Behandlung eine Chance gibst. Aber alles zu seiner Zeit. Zuerst darfst Du Dich ein wenig auf den Klinikaufenthalt einzustimmen und Dich auf die Aufnahme vorzubereiten.
Wenn Du noch unsicher bist, ob ein Klinikaufenthalt das Richtige für Dich wäre, lies hier weiter:
Wann muss ich in eine stationäre Therapie? – 12 Gründe
Solltest Du jemanden in Deinem Umfeld kennen, dem es gar nicht gut geht und Du überlegst, ob eine stationäre Therapie für diese Person sinnvoll wäre, weißt aber nicht, wie Du es ansprechen sollst, könnte dieser Artikel helfen: Wie kann man jemandem geschickt beibringen, dass eine stationäre Therapie ratsam wäre? – Meine Empfehlungen
Der Abschied
Der Tag der Anreise beginnt damit, dass Du Abschied nehmen musst. Das gehört nicht unmittelbar zu Deinem Klinikaufenthalt dazu. Aber es gehört zum Prozess dazu, Dich auf die stationäre Therapie einzustimmen.
Beim Abschiednehmen denken wir natürlich als Erstes an unsere Angehörigen, unsere Familie und Nahestehende. Auch an unsere Haustiere. Doch zum Abschied gehört durchaus mehr.
Du wirst Dich für einen bestimmten Zeitraum von Deiner gewohnten Umgebung verabschieden. Von Deinem Zuhause. Von Deinem Bett, Deiner Dusche, Deiner Küche und damit auch von Deinen alltäglichen Gewohnheiten. Wenn Du berufstätig bist, wirst Du Dich für einen gewissen Zeitraum von Deinem Job und Deinen Kollegen verabschieden.
Mit dem Klinikaufenthalt könnte eine neue Zeit für Dich anbrechen. Dein Leben könnte ein paar neue (hoffentlich positive) Wendungen bekommt. Damit gehört auch der Abschied vom Alten dazu. Zu diesem „Alten“ gehören vielleicht Kummer, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Überforderung, Kraftlosigkeit, zahlreiche belastende Gedanken und schädliche Verhaltensmuster oder Krisen.
Symbolisch nimmst Du auch von all dem Abschied, selbst wenn all das nicht mit einem Schlag weggezaubert wird, nur weil Du stationär aufgenommen wirst. Aber symbolisch öffnest Du Dich mit dem Abschied für etwas Neues.
Die Anfahrt
Sobald der Aufnahmetag feststeht, werden Dir wichtige Details zu Deiner stationären Therapie mitgeteilt. Dazu gehört auch die Uhrzeit, zu der Du an der Klinik für Deine Aufnahme erwartet wirst. Meistens heißt es „melden Sie sich bitte bis 9:00 Uhr an der Rezeption an.“
Je nachdem, wie weit die Klinik von Deinem Wohnort liegt, musst Du entsprechend genügend Zeit für Deine Anreise einplanen, um pünktlich zu sein. Manche Patientinnen und Patienten reisen sogar einen Tag vorher an und bleiben für eine Nacht im Hotel oder in einer Pension, wenn die Aufnahme z.B. um 09:00 Uhr morgens beginnt.
Da der Aufnahmetag bereits vor Deiner Ankunft für Dich geplant wird, ist es wichtig, dass Du pünktlich erscheinst. Meistens beginnen die stationären Aufnahmen früh am Morgen und eines kann ich Dir garantieren: es wird ein langer erster Tag!
Lege rechtzeitig fest, ob Du mit eigenem Auto anreist, Dich fahren lässt oder eine Zugfahrt vor Dir liegt. Solltest Du aus irgendwelchen Gründen nicht pünktlich erscheinen können, rufe am besten an der Rezeption der Klinik an und sage Bescheid, damit für Dich entsprechend umgeplant werden kann.
Die Ankunft in der Klinik
Nach der Ankunft meldest Du Dich am besten an der Rezeption. Du wirst bereits erwartet, willkommen geheißen und bekommst erste Informationen, wie es weitergeht.
Deine Fragen (z.B. zum Autoparkplatz oder wo die Toiletten sind) werden an der Rezeption geklärt.
Dann wirst Du in der Regel von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter abgeholt und auf Dein Zimmer gebracht, wo Du Deine Sachen ablegen kannst. Das kann jemand aus dem Patientenservice, jemand von der Rezeption oder auch jemand von Deiner Station sein.
Nun bekommst Du weitere Unterlagen. Viele Kliniken händigen eine Patientenmappe aus. Hier sind zahlreiche Informationen und Tipps rund um den Klinikaufenthalt enthalten.
Anschließend wirst Du den ersten Mitarbeitenden Deiner Station vorgestellt und über die ersten therapeutischen Termine informiert.
Die Ankunft in der Klinik ist etwas Besonderes. Neben all den Rahmenbedingungen herrscht womöglich ein Gefühlschaos in Dir. Nervosität, Aufregung, Vorfreude, gemischt mit Angst, Unsicherheit, Sorgen und Traurigkeit. Und dann prasseln so viele neue Eindrücke auf Dich ein. So viel Neues. Versuche, bei Ankunft an der Klinik im Augenblick zu bleiben. Nimm wahr, was um Dich herum geschieht, beobachte achtsam. Wie wirkt die Klinik auf Dich? Hast Du Dir den Eingangsbereich einer Klinik so vorgestellt? Wie wirken die Menschen auf Dich? Es hilft sich auf das Geschehen um Dich herum zu konzentrieren, damit Dein inneres Chaos Dich nicht völlig übermannt.
Die körperliche Untersuchung
Meistens geht es schnell zu den ersten Terminen. Dabei wirst Du in aller Regel am ersten Tag körperlich untersucht. Diese Aufgabe übernimmt eine Stationsärztin oder ein Arzt. Die medizinische Untersuchung nimmt etwas 50 Minuten in Anspruch.
Für diesen Termin kannst Du Deine Krankenakte in Kopie von Deiner Hausärztin oder deinem Hausarzt mitbringen oder andere Unterlagen vorlegen (z.B. psychiatrische oder psychotherapeutische Untersuchungen). Vor allem, wenn Du eine Vorgeschichte mit komplizierten, langandauernden oder medizinisch nicht ausreichend begründeten körperlichen Beschwerden hast, ist die Vorlage von medizinischen Unterlagen (z.B. Voruntersuchungen) oft hilfreich. Bereite auch eine Medikamentenliste vor, die Du regelmäßig einnimmst (z.B. Psychopharmaka, Schilddrüsenmedikamente oder Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen).
Im Rahmen einer psychosomatischen Klinikbehandlung wird ein möglichst umfassendes Bild Deines gesundheitlichen Zustandes gemacht. Dazu gehört neben Deiner psychischen natürlich auch Deine körperliche Gesundheit. Entsprechend der ärztlichen Einschätzung wird gemeinsam mit Dir über verschiedene physiologische, medizinische und körpertherapeutische Verordnungen gesprochen.
Anschließend können (je nach Klinik) auch labortechnische Untersuchungen, wie eine Blutentnahme, vorgenommen werden.
Die psychotherapeutische Aufnahme
Im Laufe des Tages erfolgt die psychotherapeutische Aufnahme: der wohl wichtigste Termin des Tages. Du erfährst, von wem Du bezugstherapeutisch betreut wirst. Im besten Fall nimmt Dich genau diese Person therapeutisch auf. Manchmal erfolgt die therapeutische Aufnahme urlaubsbedingt oder krankheitsbedingt aber durch jemand anderes. Lass Dich davon nicht verunsichern.
Die bezugstherapeutische Aufnahme dauert ebenfalls ca. 50 Minuten. Klingt nach einem langen Termin, aber diese 50 Minuten werden sehr schnell vergehen. An Themen wird es nicht mangeln. Im groben wird es über folgende Punkte gehen:
- Allgemeine biographische Informationen
- Anlass für die stationäre Behandlung
- Entwicklung der Beschwerden und Probleme
- Diagnostische Abklärung
- Relevante familiäre Vorgeschichte und psychische Belastungen
- Therapeutische Vorerfahrungen
- Wünsche und Ziele an die stationäre Therapie
Für die therapeutische Aufnahme liegt dem Klinikpersonal Deine Akte vor, die bereits vor Deiner Anreise angelegt wird. In dieser sind alle relevanten Klinikunterlagen und Fragebögen abgelegt, die Du ausgefüllt hast oder noch ausfüllen wirst. Auch sämtliche Arztberichte (z.B. medizinische oder psychotherapeutische Berichte), die Du eingeschickt hast, werden in Deiner Akte verwahrt.
Um sich auf Dich vorzubereiten und bereits erste therapeutische Maßnahmen einzuleiten, schaut sich das Klinikpersonal Deine Akte vor Deiner Anreise an. Es kann also gut sein, dass Du in Deiner bezugstherapeutischen Aufnahme das Gefühl bekommst, dass Deine (Vor-)Geschichte bereits bekannt ist.
Die bezugstherapeutische Aufnahme ist aus folgenden zwei Gründen wichtig:
- Du lernst die Person kennen, die Dich bezugstherapeutisch betreuen wird. Hier wird der Grundstein für eine professionelle Vertrauensbeziehung gelegt.
- Diese Therapeutin bzw. Therapeut legt nach eurem Erstgespräch Deinen psychotherapeutischen Behandlungsplan fest. Das Ziel ist, passende Therapien für Dich zusammenzustellen, damit Du entsprechend flott in den Therapieprozess kommst und an Deinen Themen arbeiten kannst.
Lesenswert ist auch folgender Artikel: Was kann eine stationäre Therapie für mich leisten?
Sonstige feste Termine
Vorstellung bei den Co-Therapeutinnen und Therapeuten
Manche Kliniken bieten das Konzept der Co-Therapie an. Das sind psychosozial geschulte Mitarbeiter, die die intensive bezugstherapeutische Einzeltherapie aufgreifen und vertiefen. Co-Therapeutinnen und Therapeuten führen z.B. Befragungen mit Fragebögen, Expositionstherapien und therapeutische Tischbegleitung durch und sind Ansprechpersonen in Krisensituationen.
Sollte Deine Klinik dieses Konzept verfolgen, wirst Du am Aufnahmetag auch co-therapeutisch aufgenommen. Auch hier wird ein Aufnahmegespräch mit Dir geführt.
Meistens wirst Du einer Co-Therapeutin oder einem Co-Therapeuten fest zugeteilt und hast regelmäßig Einzeltermine mit dieser Person. Es ist durchaus vorteilhaft eine zusätzliche Bezugsperson auf der Station zu haben.
Chefärztliche Aufnahme
Je nach Klinik und in Abhängigkeit von Deinem Behandlungspaket wirst Du am Aufnahmetag und spätestens am Folgetag chefärztlich untersucht. Diese Aufnahme dauert ca. 30 Minuten. Sie dient dazu, Dich stationär zu begrüßen, im Team willkommen zu heißen, Dich kennen zu lernen und wichtige Informationen über Deinen Zustand, Deine Probleme, Beschwerden und Therapievorstellungen zu gewinnen.
Der Umfang von Deiner Behandlung hängt übrigens mitunter von Deiner Krankenversicherung ab (konkret: gesetzlich vs. privat versichert oder Selbstzahler mit Möglichkeit auf zusätzliche Erweiterung der „Standardbehandlung“).
Klinikführung durch Klinikpersonal oder Paten
Im Laufe des Tages, zwischen den Terminen, bekommst Du noch eine Klinikführung. Dir werden die wichtigsten Bereiche der Klinik gezeigt, damit Du Dich alsbald gut zurechtfindest. Diese Aufgabe übernehmen entweder Mitarbeitende Deiner Station, Klinikpersonal des Patientenmanagements oder Mitpatientinnen und Mitpatienten Deiner Station.
Zahlreiche Kliniken haben das Konzept der „Patenschaft“ durch Mitpatientinnen und Patienten. Dabei wird sich im Laufe des Tages jemand von Deiner Station bei Dir melden und sich als Deine Patin oder Dein Pate vorstellen. Die Patenschaft hat die Aufgabe, Dir die Ankunft und Integration auf der Station zu erleichtern. Das ist enorm hilfreich, um schnell Anschluss zu finden und sich damit auch schneller wohl zu fühlen.
Eine Klinikführung hat den Vorteil, dass gleich auch Klinikinsider mit Dir geteilt werden. Dadurch bekommen die Neuankömmlinge am ersten Tag neben all den formalen Prozessen und Informationen auch die informellen Vorgänge mit. Ob es sich um das Fachpersonal, um bestimmte Therapieangebote, den Internetempfang, die Freizeitangebote, das Essen oder das Wäschewaschen handelt – Patinnen und Paten sind dafür die vertrauensvollen Ansprechpersonen!
Auch dieser Tag findet ein Ende
Gleich am ersten Tag in der Klinik wirst Du eine ganze Menge neuer Menschen kennenlernen. Sei es Mitarbeitende der Klinik, das Team Deiner Station oder einige Mitpatientinnen und Patienten.
All diese Termine und Bekanntschaften sind anstrengend. Und das nicht nur, weil so viel Neues an einem Tag passiert. Du wirst in Deinen formellen Terminen immer wieder von Deinen Belastungen, Beschwerden, seelischen Krisen und Deiner Lebenssituation erzählen müssen. Das ist für viele emotional sehr aufwühlend! Man wird sich oft der ganzen Tragweite der eigenen Situation erst richtig bewusst. Kein schöner Moment, wenn so vieles hochgeholt wird! Aber ein wichtiger Moment, denn es darf und muss Dir bewusst sein, wo Du stehst, damit auch Deine Therapeutinnen und Therapeuten Dich verstehen.
Es kann sein, dass Du am Ende des ersten Tages reizüberflutet, erschöpft und vielleicht ein bisschen überfordert bst. Dazu kommt Heimweh. Du musst Dich in Deinem Zimmer zurechtfinden und Dich an ein „fremdes“ Bett gewöhnen. Es kann also gut sein, dass auch die erste Nacht anstrengend wird. Überlege Dir am besten vor Anreise an die Klinik, was Dir am ersten Abend gut tun wird. Um Dich z.B. zu erholen, um die Reizflut zu verarbeiten und um ein bisschen Zuhause mit in die Klinik zu nehmen.
Möge Deine Entscheidung für eine stationäre Therapie eine gute sein! Möge Dir der Klinikaufenthalt helfen, Dich weiterbringen und Dich dabei unterstützen, dass es Dir wieder ein Stück besser geht. Mögest Du wertvolle Erfahrungen sammeln!
Wir danken Dir für Deine Zeit und Aufmerksamkeit