Einsamkeit – Das neue Volksphänomen unserer Zeit

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Wir sagen: Einsamkeit ist das neue Volksphänomen des 21. Jahrhunderts

Wir leben in einer Zeit, in der alles und jeder scheinbar vernetzt ist. Ein Klick genügt, um mit Menschen auf der ganzen Welt zu kommunizieren. Und doch wächst das Gefühl der Einsamkeit. Einsamkeit ist längst kein Randthema mehr, sondern ein gesellschaftliches Phänomen, das alle Altersgruppen betrifft und immer mehr in den Mittelpunkt rückt. Besonders auffällig: Die Hochrisikogruppen „alte Menschen“ und „junge Menschen“ zeigen in aktuellen Auswertungen einen alarmierenden Anstieg. Aber was bedeutet Einsamkeit eigentlich? Und warum ist sie so gefährlich für unsere psychische Gesundheit?

Einsamkeit – Zwischen äußerer Isolation und innerem Erleben

Einsamkeit ist weit mehr als das Fehlen von Gesellschaft. Sie ist ein zutiefst subjektives Gefühl, ein inneres Erleben, das nicht zwangsläufig mit der Anzahl sozialer Kontakte übereinstimmen muss. Man kann unter Menschen sein und sich dennoch zutiefst einsam fühlen.

Die Forschung unterscheidet daher zwischen „sozialer Einsamkeit“ (objektiv: wenige oder keine sozialen Kontakte) und „emotionaler Einsamkeit“ (subjektiv: das Gefühl, nicht verstanden zu werden, keine Verbündeten zu haben, sich als „Sonderfall“ zu erleben).

Gerade für psychisch belastete Menschen ist Einsamkeit oft ein doppeltes Stigma: Sie erleben nicht nur das Gefühl, mit niemandem sprechen zu können, sondern glauben auch, dass ihre Situation einzigartig und unverstanden ist. Die Folge ist ein Teufelskreis aus Rückzug, Scham und zunehmender Isolation. Und das unabhängig davon, wie viele Menschen tatsächlich im Umfeld sind.

Einsamkeit im gesellschaftlichen Wandel

Philosophisch betrachtet ist Einsamkeit ein elementares Menschheitsthema. Schon antike Denker wie Aristoteles und Epikur haben über das Wesen des Alleinseins reflektiert.

In der Moderne, so scheint es, hat sich das Verhältnis zur Einsamkeit grundlegend verändert. Während frühere Generationen oft gezwungen waren, mit Einsamkeit umzugehen, sei es durch geografische Isolation, Krieg oder Verlust, erleben wir heute eine paradoxe Gleichzeitigkeit:

Noch nie war es so einfach, Kontakte zu knüpfen, und doch fühlen sich immer mehr Menschen einsam.

Die Corona-Jahre ab 2020 haben diesen Trend massiv verstärkt. Kontaktbeschränkungen, Homeoffice, Schließungen von Treffpunkten und die Angst vor Ansteckung haben gezeigt, wie fragil unsere sozialen Netze sind. Plötzlich waren Millionen Menschen auf sich selbst zurückgeworfen. Viele spürten erstmals, wie schmerzhaft Einsamkeit sein kann. Seitdem ist das Thema gesellschaftlich sichtbarer, aber auch akuter geworden.

 

Die Hochrisikogruppen im Fokus

  1. Alte Menschen: Einsamkeit im Alter

Statistisch gesehen sind ältere Menschen besonders gefährdet, einsam zu werden. Laut einer Auswertung des Deutschen Alterssurveys fühlten sich 2023 rund 14 Prozent der Menschen über 75 Jahre häufig einsam, Tendenz steigend (DEAS, 2023). Die Gründe sind vielfältig: Der Verlust von Partnern und Freundschaften, körperliche Einschränkungen, fehlende Mobilität, der Rückzug aus dem Berufsleben und das Schrumpfen sozialer Netzwerke.

Die Digitalisierung, die für viele Jüngere ein Rettungsanker gegen Einsamkeit ist, bleibt für viele Ältere eine Hürde. Soziale Medien, Videoanrufe oder digitale Nachbarschaftsnetzwerke erreichen sie oft nicht oder zu spät. Die Folge: Viele ältere Menschen sind auf analoge Kontakte angewiesen, die aber immer seltener werden.

  1. Junge Menschen: „Generation Lonely“?

Überraschend und alarmierend zugleich: Auch junge Menschen sind heute besonders von Einsamkeit betroffen. Laut einer Studie der Universität Leipzig (2024) gaben 32 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, sich regelmäßig einsam zu fühlen. Das sind weit mehr als noch vor zehn Jahren. Die Gründe sind auch hier komplex: Der Druck, „dazuzugehören“, ständige Vergleiche über Social Media, hohe Mobilität (Studium, Jobwechsel), unsichere Lebensverhältnisse und die Entwurzelung durch Corona-Maßnahmen.

Hinzu kommt: Die Digitalisierung schafft zwar neue Kontaktmöglichkeiten, aber oft fehlen echte, tiefe Bindungen. Likes und kurze Chats ersetzen keine echten Freundschaften und fördern keine soziale Kompetenz. Viele junge Menschen berichten, dass sie zwar ständig „online“ sind, aber niemanden haben, mit dem sie wirklich über ihre Sorgen sprechen können.

Die aktuelle Datenlage 2025: Einsamkeit auf dem Vormarsch

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:

  • Deutschlandweit fühlten sich laut einer repräsentativen Umfrage der Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2025 rund 22 Prozent der Bevölkerung „häufig oder sehr häufig einsam“ (SDD, 2025). Das ist ein historischer Höchststand!
  • Besonders betroffen sind Menschen zwischen 18 und 29 Jahren (32 Prozent) sowie über 75-Jährige (14 Prozent).
  • Auch die Zahl der Menschen, die trotz sozialer Kontakte von „innerer Einsamkeit“ berichten, ist gestiegen. Experten sprechen von bis zu 40 Prozent in bestimmten Risikogruppen (z.B. Alleinerziehende, Menschen mit chronischen Erkrankungen, LGBTQIA+).
  • Die Corona-Pandemie wird von 67 Prozent der Befragten als „Einsamkeitsbeschleuniger“ benannt.

Die Datenlage zeigt auch: Einsamkeit ist kein Randphänomen mehr, sondern betrifft breite Teile der Gesellschaft. Und das quer durch alle Altersgruppen, Bildungsgrade und Regionen.

Warum wir Einsamkeit nicht länger ignorieren dürfen

Wir zeigen dir vier Annahmen, die wir bei Arenus und mit unserem Netzwerk diskutieren und laden dich ein die folgenden Punkte ebenfalls zum Mitdenken mitzunehmen:

  1. Einsamkeit ist ein gesellschaftliches Problem:

Einsamkeit ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches. Sie entsteht dort, wo soziale Netze dünn werden, wo Leistung und Selbstoptimierung wichtiger sind als echte Beziehungen. Wo das Gefühl herrscht, „nicht dazu zu gehören“.

  1. Unsere Gesellschaft produziert Einsamkeit:

Unsere heutige Gesellschaft produziert Einsamkeit mit: durch Arbeitsbedingungen, Wohnverhältnisse, Digitalisierung ohne Teilhabe, fehlende Begegnungsräume, Tabuisierung psychischer Belastungen und durch Überhitzung politischer, moralischer und gesellschaftlicher Debatten.

  1. Einsamkeit fördert Stigmatisierung:

Kritisch blicken wir auch darauf, dass Einsamkeit oft mit Scham belegt ist. Wer zugibt, sich einsam zu fühlen, gilt schnell als „schwach“ oder „sozial unfähig“, langweilig oder „selbst schuld“. Dabei ist Einsamkeit eine zutiefst menschliche Erfahrung, die jeden Menschen treffen kann. Wir sagen sogar, dass je individualisierter eine Gesellschaft ist, umso wahrscheinlicher das Erleben von Einsamkeit wird.

  1. Anhaltende Einsamkeit ist ein zentraler Risikofaktor für gesundheitliche Probleme des 21. Jahrhunderts:

Dauerhafte Einsamkeit (vor allem das Gefühl, mit niemandem sprechen zu können oder als „Sonderfall“ unverstanden zu bleiben) ist ein enormer Risikofaktor für psychische Belastungen. Studien zeigen, dass chronische Einsamkeit das Risiko für Depressionen, Angststörungen und sogar körperliche Erkrankungen deutlich erhöht.

Unsere Hypothese: Gerade die „innere Einsamkeit“, das Gefühl, nicht verstanden zu werden und keinen echten Anschluss zu finden, könnte zu einem der entscheidenden Risikofaktoren für psychische Belastungen im 21. Jahrhundert werden. Sie ist der stille Begleiter vieler psychischer Krisen. Oft unsichtbar, aber umso verheerender.

Fazit: Einsamkeit braucht Sichtbarkeit, Verständnis und gesellschaftliche Antworten

Einsamkeit ist mehr als ein individuelles Schicksal. Sie ist unser gesellschaftlicher Spiegel. Sie zeigt, wo unsere Netze reißen, wo Menschen durchs Raster fallen, wo Zugehörigkeit fehlt. Es braucht neue Wege, um Begegnung, Gemeinschaft und echte Teilhabe zu ermöglichen, sowohl analog wie auch digital. Und es braucht das Eingeständnis, dass Einsamkeit jeden von uns treffen kann.

Nur wenn wir Einsamkeit sichtbar machen, entstigmatisieren und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen, können wir verhindern, dass sie zum größten Risikofaktor für psychische Gesundheit wird.

Wir danken Dir für Deine Zeit und Aufmerksamkeit!


Aus Gründen der Lesbarkeit nutzen wir im Text das generische Maskulinum. Gemeint sind natürlich alle Menschen unabhängig von Geschlecht oder Identität.


Quellen

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