Erleben Sie Beschwerden, die Ihren Alltag erschweren, wie Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, Interessenverlust, innere Anspannung, intensive Gefühle von Traurigkeit oder Wut, Angstzustände, schnelle Reizbarkeit oder innere Leere? Fühlen Sie sich erschöpft, ausgelaugt, unmotiviert oder hoffnungslos? Sorgen Sie sich um Ihren gesundheitlichen Zustand? Vielleicht haben Sie bereits einen Online-Selbsttest durchgeführt, um Ihren Zustand objektiv einzuschätzen. Doch wie sinnvoll und aussagekräftig sind solche Tests wirklich?
Warum lassen sich Menschen online testen?
Tatsächlich benötigen Sie keinen konkreten Grund, um Ihre psychische Verfassung, Ihre Veranlagungen oder ihre Charaktereigenschaften zu testen; Ihre Neugier genügt.
So handhaben es beispielsweise die meisten Menschen, die aus Neugier einen Persönlichkeitstest online ausfüllen. „Welcher Liebestyp bist du?“, „Bist du introvertiert oder extrovertiert?“ oder „Wie hoch ist deine emotionale Intelligenz?“ sind klassische Fragen, die unsere Neugier wecken und uns verleiten, ein bisschen mehr über uns herauszufinden.
Doch wenn Ihnen bestimmte Verhaltensweisen, besorgniserregende Denkweisen, seltsame Veränderungen der Wahrnehmung oder anhaltende intensive Gefühlszustände auffallen, liegt oft eine Sorge um die eigene Verfassung vor. Sorgen, Unsicherheiten und das Bestreben sich frühzeitig um die eigene psychische Gesundheit zu kümmern, sind wichtige Gründe, um sich einem Online-Selbsttest zu unterziehen. Hierbei geht es nicht mehr um die Erkundung der eigenen Persönlichkeit, sondern um eine vernünftige Einschätzung ernstzunehmender psychische Belastungen.
Was sind Online-Selbsttests für psychische Probleme?
Im Internet stoßen Sie auf eine Vielzahl von Online-Selbsttests. Die meisten davon sind kostenfrei und werden von Krankenhäusern, therapeutischen Einrichtungen oder psychologisch orientierten Unternehmen angeboten.
Typischerweise wird zur Teilnahme an Online-Selbsttests mit Aussagen geworben, wie: „wissenschaftlich fundiert“, „klinisch bestätigt“, „psychotherapeutisch verwendet“ oder ganz klassisch „bester Selbsttest für…“.
Viele der Tests basieren auf wissenschaftlich geprüften und offiziell anerkannten Fragebögen, oft jedoch in verkürzter Form. Der Einsatz geprüfter Fragebögen hat den Vorteil, dass sie wirklich messen, was sie messen sollen. In den meisten Fällen werden Symptome von psychischen Erkrankungen erfragt oder konkrete Hinweise auf eine negative Entwicklung der psychischen Gesundheit erhoben. Allerdings bleibt die Zuverlässigkeit bei Verwendung verkürzter Versionen tatsächlich eher unklar.
Daneben existieren auch selbstkonzipierte Tests, bei deren Entwicklung auf bestimmte Theorien, auf diagnostisches Hintergrundwissen oder persönliche Erfahrungen zurückgegriffen wird. Auch diese Online-Selbsttests können gut sein, nur schwankt deren Zuverlässigkeit mit höherer Wahrscheinlichkeit. Insbesondere im Bereich der Erkundung von Persönlichkeitsmerkmalen kommen häufig selbstkonzipierte Tests zum Einsatz, die eher der Unterhaltung eines breiten Publikums dienen und weniger Wert auf Wissenschaftlichkeit und Zuverlässigkeit legen.
Auch finden sich zahlreiche kostenpflichtige Tests. Diese siedeln sich ebenfalls häufig im Bereich der Persönlichkeitsanalyse an.
Unser Tipp für Sie:
Wenn Sie sich für Online-Selbsttests interessieren, achten Sie bitte darauf, dass offiziell anerkannte Fragebögen eingesetzt werden. Das zeigt mindestens, dass sich jemand verantwortungsbewusst mit dem Thema beschäftigt hat.
Sind Online-Selbsttests für die Einschätzung psychischer Probleme sinnvoll?
Psychische Gesundheit ist ein sensibles und komplexes Thema. Der Grad zwischen akuter Belastung, chronischem Stress und klinisch relevantem Störungsbild ist schmal.
Zu unterscheiden, ob jemand in einer persönlichen Krise steckt, mit einem sensiblen Thema kämpft oder bereits unter einer psychischen Störung leidet, ist kompliziert und gehört in verantwortungsbewusste und erfahrene Hände.
Womöglich fragen Sie sich sogar, ob Sie „nur eine Midlife-Crisis“ haben oder unter einem Burn-Out leiden?
Wir vertreten eine kritische Haltung, sich im Internet auf die eigene psychische Verfassung testen zu lassen. Wir sind der Meinung, dass wir Selbsttests nur mit Vorsicht genießen dürfen, auch wenn solche online Tests auch Vorteile haben.
Vorteile
- Selbsttests tragen dazu bei, dass wir ein Stückchen besser aufgeklärt werden, was psychische Erkrankungen sind und woran wir solche erkennen. Sie haben einen gewissen edukativen und aufklärenden Aspekt.
- Selbsttest bewegen uns dazu, uns mehr mit unserer psychischen Gesundheit zu beschäftigen. Es ist wichtig und richtig eigene Belastungen und Probleme, gewisse Symptome und Auffälligkeiten an sich nicht zu ignorieren oder zu verdrängen. Wir dürfen lernen, ein stärkeres Bewusstsein für unser Wohlbefinden zu leben. Selbsttests fördern dieses Bewusstsein, sich selbst und die eigene psychische Verfassung ernst zu nehmen.
- Selbsttests liefern Hinweise darauf, ob ein klinisch relevantes Leiden vorliegen könnte und therapeutische Schritte ergriffen werden sollten. Sie liefern erste Hinweise darauf, in welche Richtung sich die Probleme entwickeln, z.B. ob es sich um eine depressive Symptomatik oder um Angstsymptomatik handeln könnte.
- Im besten Fall senken Selbsttests die Hemmschwelle, sich ärztlich oder therapeutisch untersuchen zu lassen und sich (rechtzeitig) Hilfe zu holen. Wir bekommen eine Orientierung dafür, wo weitere fachliche Untersuchungen stattfinden sollten. Das spart Zeit.
Nachteile
- Selbsttests liefern lediglich oberflächliche Hinweise auf der Grundlage einer begrenzten Anzahl an Fragen. Selbst wenn es sich um wissenschaftlich geprüfte Fragebögen handelt, bilden sie niemals Ihre tatsächliche Situation ab, sondern fassen nur die erfragte Information in einer Beurteilung zusammen. Als klinisch fundierte und verlässliche Aussagen dürfen Online-Selbsttests nicht gewertet werden.
- Selbsttests erfragen nur bestimmte Zeiträume oder nur bestimmte Symptome. Was nicht berücksichtigt wird, ist der Kontext Ihrer Geschichte, der Hintergrund Ihrer Beschwerden und Probleme. Ihre Lebenssituation bleibt unberücksichtigt, obwohl sie entscheidend ist für eine fundierte und verlässliche Beurteilung Ihrer Verfassung.
- Die meisten Selbsttests bieten keine oder nur eine kurze Anleitung. Hier ein Beispiel aus unserem Selbstversuch: Wir füllten einen Fragebogen zur Beurteilung des Vorliegens von Persönlichkeitsstörungen aus. Die Fragen konnten mit „Ja-“ oder „Nein“ beantwortet werden. Es gab keinerlei Anleitung. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass man für die Beurteilung von Persönlichkeitsstörungen bei Erwachsenen einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren berücksichtigen muss. Doch wie sollen Menschen es wissen, die kein psychologisches Wissen haben? Das Fehlen wichtiger Informationen zur Bearbeitung des Fragebogens kann die Ergebnisse daher erheblich beeinflussen. Die Ergebnisse können sogar fahrlässig verwirrend und falsch sein.
- Selbsttests haben das Risiko einer zu hohen Sensibilität für klinische Ergebnisse. Damit ist gemeint, dass die Schwelle von unangenehmer Belastung hin zum klinischen Leiden relativ schnell überschritten wird.
- In der Regel fehlen den Selbsttests weitere wichtige Informationen zum Ergebnis. Werden bei der Beurteilung der psychischen Gesundheit beispielsweise klinische Ausdrücke als Ergebnis geboten, ohne weitere Aufklärung und Hintergrundinformation, kann dies Angst, Unsicherheit und Sorgen zurücklassen.
- Online-Selbsttests sind für jede:n zugängig. Das erhöht das Risiko eines Missbrauchs. Missbrauch betrifft einerseits die Häufigkeit der Testdurchführung und andererseits die Zielgruppen, die sich testen lassen kann.
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- Eine zu häufige Nutzung kann zur Verfälschung der Beantwortung von Fragen führen. Die Ergebnisse sind nicht mehr aussagekräftig.
- Kinder und Jugendliche können Selbsttests ausfüllen, obwohl die Fragen nicht für sie konzipiert sind. Die Ergebnisse haben hier keine vernünftige Grundlage.
- Menschen mit ernstzunehmenden Krankheitsängsten können Selbsttest nutzen und erleben möglicherweise immer wieder eine (fälschliche) Bestätigung, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt. Krankheitsängste, Unsicherheit und Ohnmacht werden verstärkt. Aus „einer Mücke wird ein Elefant.“
Unser Tipp an Sie:
Online-Selbsttests können eine erste Einschätzung bieten, sollten jedoch nicht als alleinige Grundlage für Entscheidungen bezüglich Ihrer psychischen Gesundheit dienen.
Nach Bearbeitung eines Tests ist niemand für Sie da, der sich Ihren Fragebogen persönlich anschaut und professionell, fürsorglich und verantwortungsvoll mit Ihnen die Ergebnisse bespricht.
Bei anhaltenden Beschwerden oder Unsicherheiten ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Gespräch mit Psychotherapeut:Innen oder Facharzt:Innen kann Klarheit bringen und den Weg zur geeigneten Unterstützung ebnen.
Daher gilt für uns: Nutzen Sie Online-Selbsttests mit Bedacht
Nutzen Sie Online-Tests mit Bedacht, wenn Sie…
- … unter 18 Jahren sind und im Selbsttest nicht explizit „für Kinder und Jugendliche“ steht.
- … sich nicht gut von Aussagen abgrenzen können, die Sie verunsichern würden.
- … bereits Krankheitsängste haben und dazu tendieren nach Krankheitssymptomen zu suchen oder sich in Beschwerden und Symptome reinzusteigern.
- … nicht das Gefühl haben, dass vernünftig getestet wird. Wenn Ihnen die Fragen und die Art des Tests sehr oberflächlich vorkommen.
- … dazu neigen die Ergebnisse anzunehmen, ohne kritisch zu hinterfragen und wirklich nur als „Hinweise“ aufzufassen.
- … keine Ansprechperson haben, die professionell und fachlich mit Ihnen die Ergebnisse besprechen.
Fazit
Online-Selbsttests zur Beurteilung psychischer Probleme können hilfreich sein, um erste Hinweise auf mögliche psychische Belastungen zu erhalten. Sie ersetzen jedoch keine professionelle Diagnostik und sollten mit Vorsicht genutzt werden. Bei ernsthaften oder anhaltenden Beschwerden ist es wichtig, sich an qualifizierte Fachkräfte zu wenden, um eine genaue Diagnose und passende Therapieansätze zu erhalten.
Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit.