Was ist Selbstfürsorge wirklich? – Zwischen Trendwort, Strategie und Fähigkeit

375
Erfahre in unserem Artikel: was ist Selbstfürsorge wirklich?

Wie reagierst Du, wenn Dir jemand den Ratschlag gibt, Du solltest bitte Deine Selbstfürsorge aktivieren?

Was denkst Du, wenn Du solche Titel liest: „10 Dinge, die Du täglich tun solltest!“ Oder „Die besten 5 Life-Hacks“?

Bei all diesen Titeln geht es um das absolute Trendthema Selbstfürsorge. Aber was ist Selbstfürsorge wirklich? Und warum ist es so wichtig, dass wir uns damit beschäftigen?

Ziel dieses Artikels ist es, Dir eine bodenständige Sichtweise auf Selbstfürsorge zu zeigen. Ohne spirituellen Hokuspokus oder hochtrabend positive Versprechen.

Was ist Deine erste Assoziation mit Selbstfürsorge?

  • An was denkst Du, wenn Du das Wort Selbstfürsorge hörst?
  • Was bedeutet es für Dich? Hast Du einen Bezug dazu?
  • Oder noch persönlicher gefragt: Lebst du Selbstfürsorge aus?

Klingt es bei Dir in etwa so: „Ich gönne mir am Abend ein Gläschen Wein, lege die Beine hoch und entspanne mich im Kerzenlicht“?

Oder eher so: „Ich nehme meine Bedürfnisse ernst und achte auf meine Belastungsgrenzen“?

Alle Antworten sind okay! Doch Selbstfürsorge ist viel mehr als das!

Selbstfürsorge als Trendwort – ob das gut so ist?

Seit einigen Jahren gibt es eine Welle, die das Internet und den Buchhandel überrollt. Die Welle heißt „Persönlichkeitsentwicklung“. 

Seit „Persönlichkeitsentwicklung“ so ein BOOM ist, wird auf den Worten „Selbstfürsorge“, „Selbstwert“ und „Selbstliebe“ besonders gerne herumgeritten.

Warum Persönlichkeitsentwicklung wichtig ist, zeigt uns schließlich die positive Psychologie.

Doch wir beobachten folgende Tendenz:

Immer häufiger reagieren Menschen genervt und mit den Augen rollend, wenn sie von Selbstfürsorge hören. Zum Beispiel wenn sie danach gefragt werden, was ihnen jetzt gut tun würde. Und wenn auch Du dazu gehörst, würde es uns brennend interessieren, warum es Dir so geht.

Wir glauben, das Thema wurde breitgetreten. Wir vergleichen es mit einem Modetrend: Stelle Dir vor, Pullover aus Jeans-Stoff liegen voll im Trend. Du findest in jedem Geschäft nur noch solche Pullover. Und dann zeigen Dir andere Menschen in den sozialen Medien ständig, wie begeistert sie von ihren Jeans-Pullis schwärmen. So nach dem Motto: „Das ist der ultimative Look! Damit wird Dein Leben so viel besser!“ Und dann wären noch die Menschen auf der Straße in ihren Jeans-Pullis… Eine Zeitlang wärst Du auch angetan. Aber irgendwann hättest Du Dich einfach sattgesehen. Irgendwann wären für Dich diese Jeans-Pullis nur noch ein einseitiger und unpersönlicher Look. Oder?

So ähnlich ist das mit Selbstfürsorge. Man hört und liest immer wieder das Gleiche. Die gleichen Sichtweisen, die gleichen Tipps, die gleichen Ratschläge. Es kommt früher oder später zu einer Übersättigung.

Besonders schade ist es, dass von diesem Trend vor allem diejenigen Menschen genervt sind, für die Selbstfürsorge wirklich wichtig wäre! Das sind Menschen, die zahlreiche Belastungen erleben, unter seelischem Schmerz oder psychischen Problemen leiden. Menschen, die Schwierigkeiten haben aus ihrer Abwärtsspirale herauszufinden. Es sind die, die sich unverstanden, ausgesondert oder allein gelassen fühlen.

Ob Du selbst zu diesen Menschen gehören könntest, erfährst du in diesem Artikel: Bin ich psychisch belastet?

Ist Selbstfürsorge eine Strategie?

Was ist Selbstfürsorge wirklich? Ist das eine Art „Strategie“, mit der Du für Dein Wohlbefinden sorgst?

Sicherlich kennst Du ähnliche Tipps für Selbstfürsorge:

  • Schreibe täglich in Dein Tagebuch.
  • Am besten Du schreibst ein Dankbarkeitstagebuch.
  • Tue täglich etwas, das Dir Freude bereitet.
  • Kreiere Dir ein Morgenritual und starte bewusst in den Tag.
  • Fange an zu meditieren. Oder mach Yoga.

Ist das schon Selbstfürsorge?

Ja, das ist es!

Aber nur ein Bruchteil davon. Diese Beispiele beziehen sich auf konkrete Strategien und zeigen Dir, wie Du das Prinzip der Selbstfürsorge in Deinem Alltag ins aktive Tun umsetzen kannst.

Eine Strategie ist ein bewusst ausgeführtes Verhalten, das einem bestimmten Zweck dient.

Selbstfürsorge ist aber nicht bloß eine Strategie. Und das aus einem einfachen Grund:

Es gibt viele Strategien, die nach Selbstfürsorge aussehen, aber in Wahrheit schädigend sein können:

  • Konsum von Suchtmitteln ( z.B. schnell eine Zigarette rauchen, um sich kurz zu entspannen oder abends drei Gläser Wein trinken, um die innere Anspannung zu regulieren)
  • Selbstoptimierung betreiben (z.B. sich aus Prinzip nur vegan ernähren, weil es als gesund gilt, obwohl einem der Körper ganz andere Signale sendet)
  • Vermeidung (z.B. lieber 1 Stunde lang meditieren, statt mit dem Partner den akuten Streit zu klären)
  • Ungesunde Gewohnheiten pflegen (z.B. Freitagnacht bis 4.00 Uhr morgens Netflix schauen, trotz Übermüdung und Schlafmangel)

Es gibt Strategien, die einen selbstfürsorglichen Anteil haben. Aber genauso haben sie auch Anteile, die eher selbstsabotierend oder selbst- oder fremdschädigend sein können.

Wenn Du in Zukunft Tipps für Selbstfürsorge anwendest, beachte dies:

  1. Bei den Tipps handelt es sich meist um Strategien, mit denen Du Deine Selbstfürsorge fördern und üben kannst.
  2. Achte darauf, aus welchen Motiven heraus Du diese Strategien anwendest. Frage Dich: „Ist das, was ich gerade wirklich brauche?“

Was ist Selbstfürsorge wirklich?

Selbstfürsorge ist etwas Fundamentales. Trotzdem gibt es keine einheitliche Definition. Deswegen kannst Du im Prinzip Selbstfürsorge so auslegen, wie es Dir am besten passt.

Aus der psychologischen Praxis heraus haben wir ein Verständnis von Selbstfürsorge entwickelt, das zwei Kernelemente beinhaltet:

1. Selbstfürsorge ist eine Haltung

Selbstfürsorge bedeutet, dass Du Dir als Individuum die Freiheit einräumst, ein ganz normaler Mensch zu sein.

Du bist verletzlich und verwundbar. Du hast begrenzte Kapazitäten. Zu Dir gehören Ecken und Kanten. Du hast Grenzen – emotional und körperlich.

Selbstfürsorge bedeutet, dass Du Dir erlaubst, all das zu sein. Dass Du ohne Strenge, ohne Härte und ohne eine fremde Autorität auf Dich blickst.

Selbstfürsorge ist Deine Stärke, Dir einzugestehen ein ganz normaler Mensch zu sein.

Selbstfürsorge ist Deine Haltung Deiner Menschlichkeit gegenüber. Es ist eine Haltung mit Güte, Nachsicht, Realismus und Achtung.

2. Selbstfürsorge ist eine Fähigkeit

Selbstfürsorge ist eine Dir angeborene, natürliche Fähigkeit.

Es ist Deine lebensbejahende und lebenserhaltende Fähigkeit, die jede Tätigkeit einschließt, um Dein Wohlbefinden und Deine Gesundheit aufrecht zu erhalten, zu fördern, wiederherzustellen oder zu verbessern.

Selbstfürsorge ist Deine Fähigkeit, Deine Ressourcen achtsam und bewusst zu verteilen. Sodass du nicht Raubbau an Deiner Lebenskraft betreibst, sondern dafür sorgst, dass Du ausreichend Lebensenergie und Lebensqualität für die Bewältigung Deines alltäglichen Lebens hast.

Selbstfürsorge als Fähigkeit ist Dein Indikator dafür, ob Dein Leben, Dein psychisches und körperliches Wohlbefinden und Deine Ressourcen noch im Gleichgewicht sind.

Selbstfürsorge ist evolutionsbiologisch extrem wichtig. Hier ein ganz einfaches Beispiel:

Einer Katze siehst Du ihre Selbstfürsorge regelrecht an. Solange sie für sich selbst sorgt, sorgt sie für den Erhalt ihrer Ressourcen und ihrer Lebensqualität. Das merkst Du vor allem daran, wie gründlich sie ihr Fell pflegt. Aber was ist los mit einer Katze, die sich nicht mehr pflegt und nicht mehr für sich sorgt? Bei so einer Katze wirst Du schnell feststellen, dass etwas nicht stimmt. Eine Katze, die ihre Fellpflege vernachlässigt, die nicht mehr richtig frisst, keinen Antrieb mehr hat oder nicht mehr spielen mag, ist höchstwahrscheinlich krank. Bei dieser Katze ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten. So ist es bei vielen anderen Tieren auch. Der Mensch ist keine Ausnahme…

Du kannst nichts damit anfangen? Hier ist der Grund!

Jetzt denkst Du vielleicht: „Aha, ist ja toll erklärt. Aber ich kann nichts damit anfangen.“

Oder Dir drängt sich der Gedanke auf: „Na herzlichen Glückwunsch. Dann hab ich wohl diese Fähigkeit nicht.

Wir vermuten folgende Ursache:

Du hast die Veranlagung zur Selbstfürsorge. Du kannst auch diese Haltung leben. ABER wäre da nicht Deine Sozialisierung.

Wie lernen wir unsere Fähigkeiten bewusst einzusetzen?

  1. Indem wir von klein auf beigebracht bekommen, dass wir diese Fähigkeiten besitzen. Es braucht jemanden, der Dich darin fördert und unterstützt, dass Du etwas kannst.
  2. Indem wir positive Vorbilder haben, die uns diese Fähigkeiten vorleben und in uns die Einsicht wecken, dass diese Fähigkeiten sinnvoll sind. Wir übernehmen (unbewusst) Muster unserer Vorbilder und der Menschen, denen wir eine gewisse Autorität über uns geben.
  3. Indem wir unsere Fähigkeiten auch anwenden, trainieren und fördern. Fühlen wir uns gut dabei und können wir mit der Fähigkeit etwas bewirken, ergibt sie Sinn für uns und wird zum festen Bestandteil unserer Ressourcen und Bewältigungsmechanismen.

Mit Selbstfürsorge ist es eben nicht wie mit Fahrrad fahren. Es reicht nicht aus, dass Dir jemand Selbstfürsorge beibringt und dann kannst Du es für den Rest Deines Lebens.

Es braucht ein Umfeld, das Dir schon in Deinen frühen Lebensjahren vorlebt, wie wichtig Selbstfürsorge ist und dass Du selbstfürsorglich handeln kannst. Nicht ab und an, sondern täglich, in einer Gemeinschaft, die dies unterstützt.

Nun merkst Du vielleicht, was bei Deiner Selbstfürsorge nicht gut gelaufen ist. Denkst du: „Mir hat niemand beigebracht, wie ich fürsorglich mit mir umgehe. Ich habe eher gelernt mich anzupassen und für andere Menschen zu sorgen, ihre Erwartungen zu erfüllen und ihren Ansprüchen gerecht zu werden.“

Für viele ist Selbstfürsorge in der Prägungsgeschichte gekoppelt an eine moralische Erziehungs-Keule wie:

  • Kämm dir die Haare. Du willst doch ein hübsches Mädchen sein oder!
  • Iss den Teller auf, sonst gibt es morgen schlechtes Wetter.“
  • Wie du legst dich in deinem Alter mittags hin? Du bist zu jung für einen Mittagsschlaf!“

Dabei hätte ja auch heißen können:

  • Schau mal, wie schön deine Haare sind. Komm, ich zeige dir, wie du sie kämmst. Es ist ganz toll, wenn du deine Haare so gut behandelst.“
  • Warum möchtest du nicht aufessen? Bist du satt oder schmeckt es nicht?“
  • Möchtest du dich hinlegen? Mach das. Dann bist du noch für den Rest des Tages fit.“

Was kannst du aus diesem Artikel lernen?

Bevor Du unseren Blog wieder verlässt, möchten wir Dir einige Gedankenanstöße mitgeben:

  1. Aus diesem Artikel musst Du nicht lernen, WIE Du selbstfürsorglich handeln kannst.
  2. Du musst Dich nicht unter Druck setzen die perfekten Strategien für Dich zu finden. Vergiss bitte MÜSSEN, nur weil Du überall liest oder hörst, wie sinnvoll es ist. Nimm bitte den Druck raus!
  3. Nimm zu Beginn mit, dass Du die Veranlagung zur Selbstfürsorge in Dir trägst. Du bist kein hoffnungsloser Fall! Deine Fähigkeit zur Selbstfürsorge ist Dir angeboren, weil sie lebensnotwendig ist. Nur weil Du sie nicht spürst, heißt es nicht, dass Du unfähig dazu bist. Es heißt, dass diese Fähigkeit bisher nicht ausreichend gefördert wurde.
  4. Wenn Du bisher eine eher negative Haltung zur Selbstfürsorge hattest (z.B.: „Das ist egoistisch.“), ist das verständlich. Daran gibt es nichts zu verurteilen. Denn Deine Haltung ist wahrscheinlich ein Resultat Deiner Prägungsgeschichte und Erziehung. Aber das heißt nicht, dass Du für den Rest Deines Lebens so denken musst.
  5. Erlaube Dir, Dich für eine neue Haltung zu öffnen. Vielleicht nicht jetzt gleich, aber vielleicht in naher Zukunft. Vielleicht kannst Du bald eine etwas andere Sichtweise entwickeln. Das wird der erste Schritt sein, dass Du Deine Fähigkeit zur Selbstfürsorge an Dir entdeckst.

Wir danken Dir für Deine Zeit und Aufmerksamkeit!

Möchten Sie keine unserer spannenden Beiträge, Neuigkeiten und Veranstaltungen mehr verpassen? Dann tragen Sie sich in unseren Newsletter ein und erfahren Sie als Erste:r von neuen Angeboten, besonderen Events und hilfreichen Informationen rund um die Arenus Akademie.

Newsletter

Melden Sie sich zu unserem Newsletter an, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Wir verwenden Brevo als unsere Marketing-Plattform. Indem Sie das Formular absenden, erklären Sie sich einverstanden, dass die von Ihnen angegebenen persönlichen Informationen an Brevo zur Bearbeitung übertragen werden gemäß den Datenschutzrichtlinien von Brevo.