Die Entlassung aus einer stationären Therapie ist für viele ein Moment der Hoffnung: Endlich raus aus der Krise, zurück ins Leben! Doch die Realität sieht oft anders aus. Viele Menschen erleben nach einer intensiven Behandlung einen Rückfall – alte Muster, Symptome oder sogar Suizidgedanken melden sich zurück. Das ist kein individuelles Versagen, sondern ein weit verbreitetes Phänomen. Warum ist das so? Und was können Betroffene, Angehörige und das Gesundheitssystem tun, um Rückfällen vorzubeugen? Lass uns dem wichtigen Thema hier widmen!
Welche 12 (überraschenden) Gründe für eine stationäre Therapie sprechen und wie du Schritt für Schritt deine stationäre Behandlung planst, das erfährst du ebenfalls auf unserem Blog.
Rückfälle sind keine Ausnahme
Zunächst einmal: Rückfälle gehören zum Verlauf vieler psychischer Erkrankungen dazu. Sie sind nicht das Ende der Gesundung, sondern oft ein Teil davon. Hier einige Zahlen:
Rückfallraten bei psychischen Erkrankungen (z. B. Depression)
- In den ersten sechs Monaten nach stationärer Behandlung ist das Rezidivrisiko besonders hoch.
- Studien zur kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) zeigen: Rund 50 % der Patientinnen und Patienten erleben innerhalb von zwei Jahren ein erneutes Aufflammen der Symptome.
- Tendenz: Bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen ist das Rückfallrisiko hoch – meist langfristig zwischen 40–60 %. Bei Suchterkrankungen ist das Rückfallrisiko besonders hoch – etwa zwei Drittel der Betroffenen rutschen innerhalb eines Jahres nach der Entlassung wieder zurück.
Aber warum ist das so?
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Die Schutzräume der Klinik fallen weg
In der Klinik gibt es feste Strukturen, therapeutische Unterstützung und ein geschütztes Umfeld. Viele Patientinnen und Patienten beschreiben diese Umgebung als „Käseglocke“. Nach der Entlassung bricht dieser Halt aber abrupt weg. Plötzlich steht man mit seinen Herausforderungen wieder allein da – und der Alltag stellt hohe Anforderungen.
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Chronische Natur psychischer Erkrankungen
Viele psychische Erkrankungen verlaufen in Wellen. Sie sind nicht „geheilt“, sondern können immer wieder aufflammen – besonders in belastenden Lebensphasen. Dazu gehört insbesondere die Depression. Aber auch Abhängigkeitserkrankungen, Essstörungen und Angststörungen können im Verlauf komplexe Formen zeigen.
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Alltagsstress und Überforderung
Zurück im Job, in der Familie oder im sozialen Umfeld, prasseln viele Erwartungen auf einen ein. Alte Rollenbilder, alte Erwartungen, alte Konflikte. Stress, Konflikte und Überforderung können alte Symptome reaktivieren.
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Fehlende soziale Unterstützung
Wer sich nach der Klinik isoliert fühlt oder keine verständnisvollen Ansprechpersonen hat, ist besonders gefährdet. Einsamkeit begünstigt nachweislich Rückfälle.
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Stigmatisierung und Scham
Viele Menschen, die nach stationärer Therapie wieder in ihre häusliche Umgebung und zurück an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, schämen sich für ihre Erkrankung oder für Rückschläge. Sie vermeiden es, erneut Hilfe zu suchen oder Hilfe anzunehmen. Die Angst vor Ablehnung oder Unverständnis ist doch groß.
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Lücken in der Nachsorge
Leider ist nicht immer eine lückenlose Weiterbehandlung nach der Klinik gewährleistet. Wartezeiten auf Therapieplätze, fehlende Nachsorgeangebote oder unklare Zuständigkeiten erschweren die Stabilisierung. Zudem bereiten nicht alle Kliniken ausreichend auf die Rückkehr in den Alltag vor. Zu viele andere Themen müssen in der stationären Therapie aufgearbeitet werden, sodass Rückfallprophylaxe und Vorbereitung auf die Rückkehr nach Hause oft mit ein oder zwei Sitzungen in Gruppe oder im Einzel abgetan sind.
6 Tipps, wie du Rückfällen entgegenwirken kannst
Rückfälle lassen sich nicht immer verhindern – aber du kannst das Risiko deutlich senken. Hier sind sechs konkrete Tipps, die dich stärken:
- Nachsorge aktiv planen
- Organisiere schon während der Klinikzeit deine ambulante Weiterbehandlung. Vereinbare Termine bei Therapeut*innen oder Beratungsstellen, informiere dich über Selbsthilfegruppen und digitale Angebote.
- Strukturen schaffen und beibehalten
- Feste Tagesabläufe, regelmäßige Mahlzeiten und Schlafenszeiten geben Sicherheit. Plane kleine, erreichbare Ziele und feiere jeden Fortschritt.
- Frühwarnzeichen ernst nehmen
- Lerne, deine eigenen Warnsignale zu erkennen: Rückzug, Grübeln, Schlafprobleme, Überforderung. Sprich sie offen an und hole dir frühzeitig Unterstützung.
- Soziales Netzwerk pflegen
- Halte Kontakt zu Menschen, die dir guttun. Offenheit gegenüber Freund*innen oder Familie kann entlasten und Rückhalt geben – auch wenn es Überwindung kostet.
- Selbstfürsorge und Pausen einbauen
- Achte bewusst auf deine Bedürfnisse. Was tut dir gut? Bewegung, Musik, Natur, kreative Tätigkeiten oder einfach mal „Nein“ sagen – Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern Prävention.
- Hilfe suchen ist Stärke
- Nimm professionelle Hilfe in Anspruch, wenn du merkst, dass du alleine nicht weiterkommst. Notfallnummern, Krisendienste oder Online-Beratungen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern von Mut.
3 Tipps fürs Gesundheitssystem: Was Kliniken und Krankenhäuser besser machen können
Nicht nur Betroffene, auch das System muss sich verändern, damit Rückfälle seltener werden. Hier drei zentrale Ansatzpunkte:
- Nachsorge verbindlich und nahtlos organisieren
- Jede Entlassung sollte mit einem konkreten Nachsorgeplan verbunden sein: Wer ist Ansprechpartner oder Ansprechpartnerin? Welche Termine stehen an? Gibt es Übergangsangebote, bis die ambulante Behandlung startet? Die Verantwortung darf nicht allein bei den Patienten und Patientinnen liegen.
- Mehr psychosoziale und niedrigschwellige Angebote schaffen
- Neben klassischen Therapien braucht es mehr Gruppenangebote, Peer-Beratung, digitale Tools und wohnortnahe Unterstützung, damit niemand nach der Klinik „durchs Raster“ fällt. Genesungsbegleiter finden wir ist ein geniales Konzept, das deutlich mehr Aufmerksamkeit und Förderung benötigt!
- Stigmatisierung aktiv bekämpfen
- Kliniken und Fachkräfte sollten offen über Rückfälle sprechen, Scham abbauen und Betroffene ermutigen, Hilfe zu suchen. Öffentlichkeitsarbeit, Schulungen und Sensibilisierung im Gesundheitswesen sind essenziell.
Fazit
Rückfälle nach stationärer Therapie sind häufig. Leider! Doch sie sind kein Zeichen von Scheitern, sondern Teil eines oft langen Gesundungsweges. Manchmal sind sie auch ein Zeichen auf eine schlecht funktionierende Versorgung der Patientinnen und Patienten… aber das ist ein anderes Thema. Entscheidend ist, ehrlich damit umzugehen, sich Unterstützung zu holen und das System gemeinsam weiterzuentwickeln. Mit kluger Nachsorge, stabilen Netzwerken und mehr Offenheit können wir das Rückfallrisiko deutlich senken.
Quellenverzeichnis
- Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI): Administrative Prävalenz psychischer Störungen in Deutschland 2023
- Mack, S. et al. (2014): Prävalenz, Versorgung und Verlauf psychischer Störungen. In: Bundesgesundheitsblatt 57, S. 775–782
- Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS): www.suizidprophylaxe.de
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.bzga.de
- Statistisches Bundesamt: Diagnosedaten der Krankenhäuser 2023
- World Health Organization (WHO): Preventing suicide – A global imperative, 2014
- ctt Reha: www.ctt-reha.de
- Die Techniker: www.tk.de
- Deutsche Rentenversicherung: www.deutsche-rentenversicherung.de
- Bundesgesundheitsministerium: www.bundesgesundheitsministerium.de
- Median Kliniken: www.median-kliniken.de
- Gemeinsamer Bundesausschuss: www.g-ba.de
- Rehaklinik Seewis: www.rehaklinik-seewis.ch
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