Glauben und psychische Gesundheit – Teil 2: Wenn der Schutzschild zur Last wird

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Glaube und Psychische Gesundheit passen gut zusammen, doch es gibt auch Schattenseiten

Mit Einblicken aus MindShift & Dozentin Anja Schäfer

Glaube als Ressource und Schutzschild, ja das kennen viele. Aber was passiert, wenn Religion und Spiritualität nicht stärken, sondern schwächen? Wenn das Schutzschild Risse bekommt? Oder wenn der eigene Glaube sogar zur Belastung wird und der eigenen psychischen Gesundheit und dem eigenen Wohlbefinden im Weg steht? In Teil 1 dieser Artikelreihe haben wir beleuchtet, wie Glaube Halt geben kann und wie positiv Glaube und psychische Gesundheit zusammenhängen. Heute schauen wir mutig auf die Schattenseiten:

Wo wird Religion zum Risiko für die Psyche? Und wie können wir damit umgehen, insbesondere als Christ:in, die/der in einen inneren Konflikt gerät?

Glaube – nicht immer ein Segen

Religion und Spiritualität sind für viele Menschen ein Anker. Doch sie sind kein Garant für Wohlbefinden, Sinn und innere Stabilität. Manchmal können genau die Strukturen, die eigentlich schützen sollen, zur Quelle von Stress, Angst und inneren Konflikten werden. Das ist unbequem, aber wichtig zu wissen. Gerade, weil wir lernen dürfen offen über Religion und Spiritualität im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit sprechen zu dürfen. Und es ist ein Thema, das Anja Schäfer, unserer Dozentin bei Arenus, besonders am Herzen liegt.

1. Schuld, Scham und Angst: Wenn Glaubenssätze krank machen

Viele Religionen arbeiten mit klaren Regeln, Geboten und moralischen Vorstellungen. Das kann Orientierung und Sicherheit geben. Aber es kann auch Druck machen.

Typische Schattenseiten:

  • Chronische Schuldgefühle:Ich bin nicht gläubig/gut genug.“
  • Existenzielle Angst: Angst vor Strafe, Verdammnis oder Ausschluss aus der Gemeinschaft.
  • Scham: Über eigene Bedürfnisse, Sexualität, Zweifel oder „schlechte“ Gedanken.

Gerade gläubige Christ:innen kennen diese innere Stimme: „Du bist nicht genug“, „Du genügst Gott nicht“, „Du hast versagt“. Das kann lähmen, isolieren und die Schwelle, sich Hilfe zu holen, enorm erhöhen.

Wissenschaftliche Befunde:
Studien zeigen, dass eine „negative religiöse Bewältigung“, also ein Glaube, der von Angst, Schuld und Strafe geprägt ist, das Risiko für Depressionen, Angststörungen und sogar Zwangserkrankungen erhöht (Exline et al., 2014; Braam et al., 2010).

Menschen, die Gott als strafend erleben oder sich selbst als „sündig“ betrachten, entwickeln häufiger psychische Beschwerden als jene, die einen liebevollen, unterstützenden Glauben leben.

2. Spiritueller Missbrauch: Wenn Religion zur Waffe wird

Nicht jede Glaubensgemeinschaft ist ein sicherer Ort. Immer wieder berichten Menschen von spirituellem Missbrauch, also dem gezielten Ausnutzen von Macht durch religiöse Autoritäten.

Das kann subtil oder offen geschehen und zeigt sich zum Beispiel so:

  • Kontrolle und Manipulation:Nur wir kennen die Wahrheit.“
  • Isolation: Kontaktabbruch zu Familie und Freunden außerhalb der Gemeinschaft.
  • Angst und Drohungen:Wenn du zweifelst oder gehst, bist du verloren.“
  • Schuldzuweisungen:Du bist selbst schuld an deinem Leid, weil du nicht genug glaubst.“

Die Folgen:
Spiritueller Missbrauch kann zu tiefgreifenden Traumata führen: Angst, Depression, Identitätsverlust oder Misstrauen gegenüber sich selbst und anderen.

Die Forschung bestätigt: Wer spirituellen Missbrauch erlebt, hat ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen und braucht oft Jahre, um das Vertrauen in sich und die Welt zurückzugewinnen (Ward, 2011; Gubi & Jacobs, 2009).

3. Tabus, Dogmen und Stigma: Wenn Zweifel nicht erlaubt sind

Viele Christ:innen erleben, dass Zweifel oder psychische Krisen als Zeichen mangelnden Glaubens gewertet werden. Als seien sie auf Abwegen oder nicht ausreichend im Vertrauen zu Gott.

Das hat Folgen:

  • Psychische Erkrankungen werden tabuisiert: Depression gilt als „geistige Schwäche“ oder gar als Strafe für Sünde.
  • Hilfesuchen wird erschwert: Wer sich professionelle Unterstützung sucht, gilt als „ungläubig“ oder „zu wenig vertrauend“.
  • Soziale Isolation: Aus Angst vor Ablehnung verschweigen viele Betroffene ihre Probleme.

Wissenschaftlicher Hintergrund:
Studien wie die von Smith et al. (2003) zeigen, dass in streng religiösen Kontexten psychische Störungen oft nicht als medizinisch, sondern als spirituell-moralisches Problem gesehen werden. Das kann dazu führen, dass Betroffene keine Hilfe suchen und lange leiden – oft mit schwerwiegenden Folgen für die eigene Gesundheit und das soziale Umfeld.

4. Wenn Glaube gegen Selbstbestimmung steht

Religiöse Gebote können in Konflikt mit eigenen Bedürfnissen, Lebensentwürfen oder gesellschaftlichen Entwicklungen geraten. Insbesondere in der aktuellen Zeit ein akutes Thema:

  • Sexualität und Identität: Homosexualität, Transidentität oder alternative Lebensmodelle werden in manchen Glaubensrichtungen abgelehnt oder tabuisiert.
  • Berufliche Selbstverwirklichung: Frauen oder bestimmte Gruppen werden in ihrer Entfaltung eingeschränkt.
  • Gesundheitliche Entscheidungen: Manche religiöse Gruppen lehnen Psychotherapie, Medikamente oder bestimmte medizinische Eingriffe ab, da es. Z.B. als „zu weltlich“ tituliert wird.

Das Ergebnis:
Menschen geraten in innere Konflikte. Sie kämpfen innerlich zwischen Loyalität zur Religion und ihren eigenen Werten, Bedürfnissen oder Lebenszielen. Das kann zu dauerhafter psychischer Belastung führen, bis hin zu Depression, Angst und Identitätskrisen.

MindShift: Hilfe für Christ:innen im Konflikt zwischen Glaube und Psyche

Hier setzt MindShift an, unser präventives Programm, das Wissen, Selbstreflexion und Selbstwirksamkeit rund um psychische Gesundheit vermittelt.

Unsere Dozentin Anja Schäfer widmet sich diesem Thema mit besonderer Leidenschaft und Sensibilität. Sie bietet MindShift explizit für gläubige Christ:innen an, die einen Konflikt zwischen ihrem Glauben und ihrer psychischen Gesundheit erleben, die bereits darunter leiden, dass Glaubensüberzeugungen Schuld- oder Versagensgefühle verstärken oder den Zugang zu weltlicher Hilfe blockieren.

Was macht MindShift anders?

  • Sicherer Raum: Du darfst alles ansprechen, was da ist. Zweifel, Schuld, Scham oder Konflikte zwischen Glauben und Psyche.
  • Fachliche Tiefe: Anja Schäfer vereint psychologisches Know-how, seelsorgerliche Erfahrung, kreative Ansätze aus der Theaterpädagogik und empathische Begleitung.
  • Selbstwirksamkeit stärken: Du lernst, wie du mit inneren Konflikten umgehen und deine Bedürfnisse ernst nehmen kannst, ohne dabei deinen Glauben zu verlieren.
  • Brücke zur Hilfe: MindShift hilft, die Schwelle zur professionellen Unterstützung zu senken und zeigt, dass Therapie und Glaube sich nicht ausschließen.

Zitat von Anja Schäfer:

Viele glaubende Menschen erleben, dass sie sich zwischen Gott und Therapie entscheiden müssen. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Psychische Gesundheit ist kein Glaubensproblem! Und Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Mut und Selbstfürsorge.

Wissenschaftliche Perspektive: Es kommt auf das WIE an

Die Forschung bildet beide Seiten der Medaille ab:

  • Positive religiöse Bewältigung (Vertrauen, Hoffnung, Gemeinschaft) fördert psychische Gesundheit.
  • Negative religiöse Bewältigung (Schuld, Angst, Ausschluss, rigide Dogmen) erhöht das Risiko für Depressionen, Angst, psychosomatische Beschwerden und Suizidalität (Pargament et al., 1998; Braam et al., 2010).

Kurz: Religion ist kein Allheilmittel und kann, falsch gelebt, sogar krank machen.

Was kannst du tun? Wachsam bleiben und Schutzräume schaffen

  • Reden hilft: Sprich über das, was dich bewegt! Du darfst Zweifel, Ängste und innere Konflikte offen ansprechen, auch und gerade in deiner Glaubensgemeinschaft. Offenheit ist der erste Schritt zur Entlastung.
  • Psychische Gesundheit ist kein Glaubensproblem! Mach dir bewusst: Deine psychische Gesundheit ist kein Glaubensproblem. Depression ist keine Sünde, Angst kein Zeichen von Schwäche. Und es ist definitiv keine Strafe für etwas, was du getan oder nicht getan hast! Du bist nicht falsch.
  • Grenzen setzen: Niemand hat das Recht, dich mit religiösen Argumenten zu manipulieren, dich kleinzumachen oder zu kontrollieren – du darfst für dich einstehen.
  • Hilfe holen: Hab den Mut, dir Unterstützung zu holen, wenn dein Glaube zur Belastung wird. Professionelle Hilfe ist kein Verrat an deinem Glauben. Im Gegenteil: MindShift kann dir dabei helfen, eine Brücke zwischen deiner Spiritualität und deiner psychischen Gesundheit zu bauen.

Reflexionsfragen für dich

  1. Wo hat dein Glaube dir schon geholfen? Und wo hat er dich unter Druck gesetzt?
  2. Hast du Schuld- oder Schamgefühle, die aus religiösen Prägungen stammen?
  3. Gibt es Tabus in deiner Gemeinde oder Familie, über die du nicht sprechen darfst?
  4. Fühlst du dich in deiner Glaubensgemeinschaft sicher oder eher kontrolliert?
  5. Wo könnte es hilfreich sein, professionelle Hilfe zu suchen?

Fazit

Glaube kann stärken, aber auch verletzen. Es ist okay, kritisch zu hinterfragen, wo Religion dich nicht schützt, sondern belastet.

Du hast das Recht, für dich und deine Gesundheit einzustehen – unabhängig davon, was andere sagen. Es braucht Mut, sich die eigenen Schattenseiten anzuschauen. Aber du bist nicht allein. Mit MindShift und Anja Schäfer findest du Unterstützung, die beide Seiten respektiert: deinen Glauben und dein seelisches Wohl. Bist du interessiert? Dann schreib uns oder teile deine Gedanken und Erfahrungen anonym mit uns.

Wir danken Dir für Deine Zeit und Aufmerksamkeit!


Quellen & Lesetipps:
  • Exline, J. J., et al. (2014). Religious Struggles and Mental Health: An Introduction.
  • Braam, A. W., et al. (2010). Religion as a Risk or Protective Factor in Depression: A Critical Appraisal.
  • Smith, T. B., et al. (2003). Religious Orientation, Depression, and Help Seeking.
  • Ward, T. (2011). Spiritual Abuse: Power in the Name of God.
  • Pargament, K. I., et al. (1998). Patterns of Positive and Negative Religious Coping with Major Life Stressors.

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