Glaube und psychische Gesundheit Teil 1: Dein Schutzschild im Alltag

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Als Akademie denken wir Prävention und Gesundheitsversorgung neu und stellen uns die Frage: Wie können wir Menschen in ihrer Lebensrealität besser abholen, sie stärken und ihre psychische Gesundheit fördern? Damit kommen wir auch zu der Frage: Wie individuell darf Prävention werden? So zum Beispiel für gläubige Menschen.

Glaube und Spiritualität sind für viele Menschen mehr als nur ein Teil der Biografie. Sie sind ein Anker, ein Kompass und oft auch ein Schutzschild im Alltag. Aber wie genau wirkt sich Glaube auf unsere psychische Gesundheit aus? Was sagt die Forschung? Und warum ist es wichtig, auch die positiven Seiten differenziert zu betrachten?

Verschiedene Studien zeigen: Christlicher Glaube wirkt nicht nur symbolisch, sondern psychisch stabilisierend. Für Menschen, die einen doppelten Fokus für ihren Glauben und ihre psychische Gesundheit haben, ermöglicht die Kombination einen echten Gamechanger. Lass uns einen Blick darauf werfen, warum das so ist.

Glaube als Ressource: Was steckt dahinter?

Für viele Menschen ist der Glaube eine wertvolle Ressource. Er gibt Halt in Krisen, spendet Hoffnung in schwierigen Zeiten und kann das Gefühl von Sinn und Zugehörigkeit stärken.

Typische Wirkungen, die immer wieder genannt werden:

  • Sinnstiftung: Religiöse Überzeugungen helfen, Erlebnisse in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Dazu gehören auch negative oder sogar traumatisierende Erlebnisse. Christlicher Glaube eröffnet Werte und Ressourcen wie Vertrauen, Gebet und Ritual. Diese helfen im Alltag, etwa bei Ängsten oder Trauer.
  • Gemeinschaft: Glaubensgemeinschaften bieten soziale Unterstützung, Austausch und Zugehörigkeit. Wer regelmäßig betet oder in der Gemeinde aktiv ist, profitiert von echtem Austausch, ehrlicher Wertschätzung und geteilter Hoffnung. Das sind wesentliche Aspekte, die Stress und Erschöpfung aktiv abfedern.
  • Rituale & Spiritualität: Feste, Gebete und Rituale strukturieren den Alltag, fördern Achtsamkeit und Selbstfürsorge.
  • Hoffnung & Zuversicht: Der Glaube an eine höhere Macht oder an das Gute kann helfen, auch in schwierigen Situationen nicht zu verzweifeln.

Wissenschaftliche Erkenntnisse:

Zahlreiche Studien belegen, dass religiöse und spirituelle Menschen im Durchschnitt widerstandsfähiger mit Stress, Krankheit und Verlust umgehen. Sie berichten häufiger über mehr Lebenszufriedenheit, weniger depressive Symptome und eine höhere subjektive Lebensqualität (Koenig et al., 2012; Smith et al., 2003; Pargament, 1997). Zudem zeigen Untersuchungen, dass „positives religiöses Coping“ (z. B. Gebet, Vertrauen in Gott, Sinnsuche) signifikant mit höherer Resilienz zusammenhängt und das Risiko für Depression und Sucht reduziert (Dolcos et al., 2021).

Natürlich ist nicht alles rosa-rot. Wir bleiben differenziert: Positives religiöses Coping fördert Akzeptanz, Optimismus und Sinnhaftigkeit, während durch negatives religiöses Coping (Schuld, spirituelle Verzweiflung) das psychische Wohlbefinden gemindert und belastet wird ( Ano & Vasconcelles, 2005). Die Schattenseiten von Religion und Spiritualität behandeln wir in Teil 2 unserer Artikelreihe.

Wie Glaube psychische Gesundheit fördern kann

Wusstest du, dass 25 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland sich häufig innerlich einsam oder isoliert fühlen? Und bei den Jugendlichen unter 18 sind es rund 24 %, die ähnliche Gefühle von Einsamkeit kennen?

Oder wusstest du, dass laut der aktuellen DGPPN-Statistik 15,4 % der Erwachsenen in Deutschland an Angststörungen leiden, gefolgt von 9,8 % mit affektiven Störungen (zu denen etwa 8,2 % eine unipolare Depression zählen)? Somatoforme Störungen und Suchterkrankungen (z. B. Alkohol, Medikamente) kommen mit etwa 5–7 % ebenfalls zu den Top‑Diagnosen und gelten damit als die häufigsten psychischen Erkrankungen, die jährlich diagnostiziert werden.

Was kann also ein Glaube für die psychische Gesundheit tun?

a) Stressreduktion & Coping
Menschen, die sich in ihrem Glauben geborgen fühlen, erleben oft weniger Stress in belastenden Situationen. Religiöse Rituale, Gebet oder Meditation wirken nachweislich entspannend und können die Stressreaktion des Körpers regulieren (Seeman et al., 2003).

b) Selbstwirksamkeit & Hoffnung
Glaube kann das Gefühl stärken, schwierige Situationen nicht allein bewältigen zu müssen. Die Überzeugung, dass „jemand über mir wacht“ oder dass alles einen Sinn hat, gibt Kraft und Zuversicht, was ein wichtiger Baustein für psychische Gesundheit ist(Park, 2005).

c) Gemeinschaft & soziale Unterstützung
Gerade in Krisenzeiten ist es entscheidend, nicht allein zu sein. Glaubensgemeinschaften bieten soziale Netze, in denen man sich aufgehoben fühlt und Hilfe bekommt. Emotional, praktisch und spirituell (George et al., 2002).

Glaube als Schutzfaktor – aber kein Allheilmittel

Auch wir bei Arenus verbinden Glauben und psychische Gesundheit und betrachten Glauben als große Ressource, die individuell und reflektiert sinnvoll zur Förderung der psychischen Gesundheit genutzt werden kann. Aber keine Sorge, wir missionieren nicht, legen keine Dogmen auf und verfolgen auch keinen Auftrag. Denn so eindeutig die Forschung die Vorteile von Glaube und Spiritualität für die psychische Gesundheit belegt, so wichtig ist es, differenziert zu bleiben:

  • Nicht jeder profitiert gleich: Die positiven Effekte zeigen sich vor allem, wenn der Glaube als unterstützend, liebevoll und offen erlebt wird und nicht etwa als dogmatisch, strafend oder ausgrenzend (Pargament et al., 2013).
  • Kultur & Prägung zählen: Wie sehr Religion schützt, hängt auch von der eigenen Prägung, dem kulturellen Umfeld und der jeweiligen Glaubensrichtung ab.
  • Individuelle Unterschiede: Manche Menschen finden in Spiritualität Trost, andere erleben darin keinen Mehrwert oder sogar Belastung (siehe unser Artikel Teil 2).

Auch wenn Glaube viel Positives bewirken kann, ist es wichtig, nicht zu idealisieren:

  • Glaube ersetzt keine Therapie: Bei ernsthaften psychischen Erkrankungen braucht es professionelle Unterstützung.
  • Nicht jeder findet in Religion Trost: Für manche ist Glaube mit Konflikten oder negativen Erfahrungen verbunden (siehe unser Artikel Teil 2).
  • Offenheit statt Dogma: Spirituelle Angebote sollten immer freiwillig und wertschätzend sein. Niemand sollte sich ausgeschlossen oder unter Druck gesetzt fühlen.

Wie läuft das eigentlich in der Prävention?

Die Wissenschaft zeigt eine klare Tendenz: Es lohnt sich Glaube und psychische Gesundheit unter einen Hut zu bringen.

In Deutschland etablieren sich immer mehr Angebote wie Spiritual Care, die Glaubensressourcen ins psychosomatische Setting integrieren. So wurde z.B. an der LMU München 2010 eine Professur eingerichtet, um evidenzbasiert die Rolle von Spiritualität und Religion in Medizin und Psychotherapie zu erforschen. Solche Programme zeigen: Glaube darf als legitimer Bestandteil psychischer Gesundheitsförderung anerkannt werden.

Doch wie so oft, sind Forschungsergebnisse nicht eindeutig, sondern kontrovers. Es gibt auch negative Hinweise und so wird das Thema Religion oder Spiritualität im Gesundheitssystemen meist ausgeklammert. Zu „persönlich“, zu widersprüchlich, schlecht zu messen, zu viel Variabilität.

Wir finden: Religion darf kein stilles Thema und schon gar nicht Tabuthema sein. Nur wenige Angebote binden Glaube oder Spiritualität systematisch in präventive Arbeit ein – und wenn, dann meist über Konfessionsgrenzen hinweg oder in kirchlichem Kontext.

Eine der Institutionen, die bereits beides kombiniert ist Nefesch 52°13° e.V.. Der Verein bietet einen zertifizierten Erste Hilfe Kurs für mentale Gesundheit an, bei dem die Frage nach dem Göttlichen, dem Größeren, Sinn, Vergebung und Gebet als Faktoren für psychische Gesundheit gestellt wird.

MindShift: Glaube als Teil ganzheitlicher psychischer Gesundheit

In unserem MindShift-Kurs greifen wir das Thema Glaube und Spiritualität regelmäßig auf. Denn:

  • Wir sehen Glaube als einen von vielen Faktoren, die psychische Gesundheit beeinflussen können.
  • Wir fördern Selbstreflexion: Was gibt mir Halt? Was stärkt mich? Wo finde ich Sinn?
  • Wir schaffen Raum für Vielfalt: Jede:r darf seinen oder ihren eigenen Weg finden. Ob religiös, spirituell oder nicht gebunden.

Unsere Erfahrung:

Gerade in Gruppen, in denen offen über Glaube gesprochen werden darf, entsteht oft eine besondere Atmosphäre von Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Es geht nicht darum, „den richtigen Glauben“ zu haben, sondern um die Kraft, die Spiritualität für viele Menschen bedeuten kann.

Wir sagen: Deine spirituelle Lebensrealität zählt.

Unsere Dozentin Anja Schäfer bietet MindShift extra für christlich glaubende Menschen an. Was wir damit bezwecken: Die positive Kraft des Glaubens als Schutzschild für deine psychische Gesundheit aktivieren und stärken. Die negativen Seiten des Glaubens im Hinblick auf psychische Gesundheit beleuchten, korrigieren und Risiken minimieren.

Raum für ehrliche Reflexion

  1. Was bedeutet Glaube oder Spiritualität für dich persönlich?
  2. Was ist deine Form von gesunder Spiritualität? Sind es Gebet, Gemeinschaft, Rituale oder das stille Vertrauen in dir selbst?
  3. In welchen Momenten hast du daraus Kraft geschöpft?
  4. Gibt es Rituale oder Gemeinschaften, die dir guttun?
  5. Wann hat dir dein Glaube besonders geholfen – und wann vielleicht auch nicht?

Ausblick & Einladung

Glaube kann ein starker Schutzschild im Alltag sein, der Halt, Sinn und Gemeinschaft schenkt. Die Forschung bestätigt: Wer seinen Glauben als Ressource erlebt, profitiert oft psychisch und emotional. Wichtig bleibt, die eigene Spiritualität individuell und wertschätzend zu gestalten und offen für verschiedene Wege und Erfahrungen zu bleiben. Im zweiten Teil der Artikelreihe beleuchten wir kritische Risiken, denn Glaube kann auch belastend sein.

Bis dahin, entdecke MindShift mit Anja Schäfer, die beide Welten kennt und verbindet.

Wir danken Dir für Deine Zeit und Aufmerksamkeit!


Quellen & Lesetipps
  • Koenig, H. G., King, D. E., & Carson, V. B. (2012). Handbook of Religion and Health.
  • Pargament, K. I. (1997). Psychology of Religion and Coping: Theory, Research, Practice.
  • Pargament, K. I., et al. (2013). Religious coping: Advances in theory, research, and practice.
  • Smith, T. B., McCullough, M. E., & Poll, J. (2003). Religiousness and depression: Evidence for a main effect and the moderating influence of stressful life events.
  • Seeman, T. E., Dubin, L. F., & Seeman, M. (2003). Religiosity/spirituality and health: A critical review of the evidence for biological pathways.
  • Park, C. L. (2005). Religion as a meaning-making framework in coping with life stress.
  • George, L. K., Ellison, C. G., & Larson, D. B. (2002). Explaining the relationships between religious involvement and health.
  • Koenig, H. G. (2004). Religion, Spirituality, and Medicine: Research Findings and Implications for Clinical Practice. Southern Medical Journal, 97(12), 1194-1200. Volltext auf PubMed
  • Braam, A. W., Koenig, H. G. (2021). Religion, Spirituality and Depression in Prospective Studies: A Systematic Review. Journal of Affective Disorders, 278, 1-13. Volltext auf PMC
  • Studie: Jeder vierte deutsche Erwachsene fühlt sich sehr einsam

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