In diesem Artikel erfahren Sie neutral die wesentlichen 8 Vorteile und 7 Nachteile einer ambulanten Psychotherapie. Wir ermutigen Sie am Ende des Artikels selbst zu entscheiden, welche Vor- oder Nachteile für Sie überwiegen und ob eine Psychotherapie die richtige Behandlungsform für Sie darstellt.
8 Vorteile einer Psychotherapie
1. „Psychotherapie“ ist ein geschützter Begriff
Nur bestimmte Berufsgruppen dürfen Psychotherapie durchführen.
Das schützt Sie vor Menschen, die sich an Ihrem Leid schnelles Geld verdienen wollen (insbesondere in der unseriösen Coaching-Szene). Bei Psychotherapie können Sie sich sicher(er) sein, dass Sie wirklich von einer ausgebildeten Fachperson behandelt werden.
Wir empfehlen Ihnen den Artikel: „Was ist eine ambulante Psychotherapie?“
2. Psychotherapie wird mit anerkannten Therapiemethoden durchgeführt
Die angewendeten Methoden in einer Therapie müssen den gängigen und wissenschaftlich anerkannten Verfahren angehören.
Zu diesen gehören z.B. Verhaltenstherapie, analytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, systemischen Therapie, EMDR oder Gesprächstherapie. Das bedeutet, dass die Wirksamkeit dieser Methoden intensiv untersucht wurde.
Der Vorteil darin ist, dass sich die Therapeut:innen lange und intensiv in verschiedenen Therapiemethoden ausbilden lassen und über hinreichende Erfahrung verfügen, um ihre Patient:innen verantwortungsvoll zu therapieren.
Sie können sich vor Beginn einer Therapie erkundigen, welches Verfahren Ihnen selbst am meisten zusagt. Entsprechend können Sie eine:n Therapeut:in suchen, die/der das Verfahren anbietet.
3. Die Kosten werden erstattet
Die Kosten einer Psychotherapie bei Psychiater:innen, Fachärzt:innen oder Psychologischen Psychotherapeut:innen werden von den Krankenkassen getragen.
Gesetzliche Krankenversicherungen übernehmen in der Regel im hohen Umfang die Kosten für eine Psychotherapie. Der Vorteil darin ist ganz klar, dass Sie sich um Therapiekosten keine Sorgen machen müssen.
Einige Krankenversicherungen übernehmen inzwischen auch die (Teil-) Kosten einer Behandlung bei Heilpraktiker:innen. Auch das ist gut, denn Heilpraktik:innen bieten Sprechstunden und Therapieplätze oft schneller an, als Psychologische Psychotherapeut:innen oder Fachätzt:innen.
4. Ein:e Therapeut:in übernimmt Verantwortung für Ihr Wohl
In schweren Lebenskrisen und schwerwiegenden seelisch-körperlichen Zuständen übernehmen Therapeut:innen eine gewisse Verantwortung für ihre Patient:innen.
Wenn Sie schwerst belastet sind, unter hohem Leidensdruck stehen und Schwierigkeiten haben Ihren Alltag zu bewältigen, kann das ein großer Vorteil werden.
Ein:e Therapeut:in ist für Sie da, um Ihre Lage sorgfältig einzuschätzen und die Reißleine zu ziehen, wenn Sie selbst es vielleicht nicht mehr können. Die Aufgabe der/des Therapeut:in liegt darin, für Ihr Wohl zu sorgen und Sie vor weiterer Belastung, Zuspitzung Ihrer Situation, weiterer Verschlimmerung Ihres Zustandes oder vor vielleicht lebensbedrohlichen Risiken zu schützen. Das kann auch ein enormer Vorteil für Ihre Angehörigen sein, da auch sie durch die/den Therapeut:in und eine fachliche Einschätzung entlastet werden.
5. Psychotherapie ist tiefgründig
In einer guten Psychotherapie geht es nicht allein um die Linderung akuter Symptome, damit Sie wieder „funktionsfähig“ werden.
Eine gute Psychotherapie geht den Ursachen Ihrer Probleme auf den Grund.
Das Ziel einer Psychotherapie ist, die Probleme an der Wurzel zu packen und Ihnen Wege zu zeigen eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen. Daneben geht es in der Psychotherapie darum, dass Sie sich insgesamt gestärkt fühlen und lernen besser mit schwierigen Situationen und Lebensthemen umzugehen.
Durch eine Therapie können Sie ein tieferes Verständnis von sich und Ihrer Geschichte erwerben.
6. Psychotherapien macht keine Heilversprechen
Um diesen Vorteil zu verstehen, braucht es einen kleinen Einblick in unseren „Gesundheitsmarkt“, der neben medizinischen und therapeutischen und heilkundlichen Behandlungen eine Vielzahl an niedrigschwelligen Angeboten bietet. Dazu gehören Coachings, Beratungen, Trainings, Gruppenmentorings und verschiedenste Angebote aus dem esoterischen Bereich, wie „Seelenrückführungen“ oder „energetische Heilungen“. In den vergangenen Jahren hat sich ein Trend etabliert Heilversprechen so geschickt zu formulieren, dass Betroffene das Gefühl bekommen ihre Probleme innerhalb von 60 Minuten, innerhalb von 4 Wochen oder innerhalb eines Programms endgültig und für immer loszuwerden. Dabei handelt es sich um gefährliche Marketingstrategien, die den individuellen Themen der Betroffenen und einem realistischen und tragbaren Bewältigungsweg nicht gerecht werden.
Innerhalb einer Psychotherapie dürfen keine Heilversprechen gemacht werden, was die Patient:innen und zugleich den Therapieprozess schützt. Stattdessen vermittelt die Psychotherapie den individuellen Weg der Gesundung.
7. Der Alltag wird eingebunden
In der Therapie werden oft konkrete Übungen für den Alltag vorbereitet, sodass die Therapie auch „außerhalb“ der Sitzungen stattfindet.
Je nachdem, unter welchen Problemen Sie leiden, kann es sein, dass dieser Vorteil entscheidend für die nachhaltige Verbesserung Ihres Zustandes wird.
8. Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist nachgewiesen
Etliche Studien belegen die Wirksamkeit von Psychotherapie. Psychotherapie hat dabei stabilere und langanhaltendere Effekte, als eine rein psychopharmakologische Behandlung.
Nicht sofort und nicht bei jedem wirkt eine Therapie, aber grundsätzlich haben Sie mit einer Psychotherapie eine reale Chance Ihr seelisches und auch körperliches Wohlbefinden zu verbessern.
Nachteile einer Psychotherapie
1. Psychotherapie ist nach wie vor „verpönt“
Die meisten Menschen müssen sich zur Psychotherapie überwinden, weil sich viele Vorurteile immer noch hartnäckig halten.
Patient:innen fühlen sich als „Irre“, „Verrückte“ oder „Simulanten“ stigmatisiert. Das führt dazu, dass Therapie ein Tabuthema bleibt und Scham, Versagensgefühle, soziale Ängste und Unsicherheit aufrechterhalten bleiben.
Wir betrachten das Problem multifaktoriell: Es gibt ungünstige gesellschaftliche Prozesse, die Vorurteile gegenüber Psychotherapie aufrechterhalten. Daneben gibt es schwierige persönliche Prozesse auf der Seite der betroffenen Personen. Und wir erkennen auch Muster innerhalb unseres Gesundheitssystems, die zur Aufrechterhaltung von Vorurteilen und Ablehnung beitragen.
2. Die Wartezeiten sind lang
Um den Zugang zur Psychotherapie zu erleichtern, wurde 2017 die psychotherapeutische Sprechstunde eingeführt. Tatsächlich gelang es durch die Einführung der Sprechstunde die Wartezeiten auf ein therapeutisches Erstgespräch von 12,5 Wochen auf 5,7 Wochen zu verkürzen, so eine Auswertung des BPtK von 2018. Doch die Wartezeit auf einen freien Therapieplatz konnte dennoch nicht ausreichend gesenkt werden.
Psychisch kranke Menschen, die bereits in der psychotherapeutischen Sprechstunde vorstellig waren, müssen im Schnitt knapp 20 Wochen auf den Beginn einer Psychotherapie warten.
Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede – Menschen in ländlichen Gegenden müssen deutlich länger warten, als Menschen in größeren Städten.
3. Negative Folgen für den Werdegang sind möglich
Ein schwieriger und sensibler Punkt, über den ungern gesprochen wird lautet: Für manche Berufsgruppen kann eine Psychotherapie berufliche Nachteile haben.
Betroffen sind vor allem Menschen in Beamtentätigkeiten. Auch andere Ausbildungsberufe, wie z.B. als Pilot, können Nachteile erfahren.
Auch kann es zu Problemen beim Abschließen von Versicherungen kommen, z.B. einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder bei einem Wechsel von einer gesetzlichen zu einer privaten Krankenversicherung.
4. Zu viel Analyse kann schaden
Die Aufarbeitung Ihrer Biographie oder Konfrontation mit unangenehmen Erinnerungen und Erfahrungen kann manchmal zu einer vorübergehenden Verschlimmerung Ihres Zustandes führen.
Damit sind negative Therapieeffekte gemeint, über die Patient:innen zu Beginn der Therapie ausreichend informiert werden müssen.
Insbesondere, wenn sich die Therapie ausschließlich auf Analyse biographischer Erfahrungen fokussiert, kann eine Therapie ihr Ziel verfehlen und die/den Patient:in in eine Sackgasse führen. Der Bezug zum aktuellen Leben und der Aufbau von Handlungsmöglichkeiten dürfen keinesfalls vernachlässigt werden!
5. Psychotherapie wirkt sich auch auf das Umfeld aus
Im Therapieprozess werden Sie gewisse persönliche Reifeprozesse und Veränderungsprozesse durchlaufen. Sie beginnen womöglich anders zu kommunizieren, verhalten sich in bestimmten Situationen anders, als früher. Sie lernen vielleicht klarer eigene Bedürfnisse zu äußern, sich besser abzugrenzen und Nein zu sagen.
Diese Veränderungen können zu Konflikten in Ihrem Umfeld führen oder Beziehungen verändern.
Menschen sind „Gewohnheitstiere“, so auch Ihre Angehörigen. Eure Beziehungsmuster sind aufeinander eingespielt und eingestellt, sodass es Angehörige verunsichern oder verärgern kann, wenn Sie beginnen sich innerhalb der gewohnten Muster anders zu verhalten. Es bedeutet, dass sich Beziehungen durch Ihre Veränderungsprozesse neu gestalten dürfen – manche Beziehungen werden intensiver, ehrlicher und erfüllender, andere müssen gewisse Hürden nehmen oder erkalten mit der Zeit.
6. Fehlindikation kann negative Folgen haben
Die Grundlage einer jeden Psychotherapie mit anerkannten Verfahren ist eine klinische Diagnose.
Wenn Sie sich mit Ihren Problemen und Sorgen in eine Therapie begeben, erhalten Sie eine Diagnose. Das kann gut sein. Es tut manchmal gut, wenn der Zustand, unter dem Sie leiden, einen Namen bekommt und Sie so das Gefühl bekommen, endlich etwas dagegen unternehmen zu können. Doch eine Diagnose kann auch schädlich sein und Ihnen weitere Probleme bereiten.
Eine Diagnose kann fehlerhaft gestellt worden sein. Eine Diagnose kann Identitäts- und Selbstwertprobleme verursachen oder verschlimmern. Und eine Diagnose, an die sich die Therapie fokussiert, kann an Ihren eigentlichen Themen und Problemen vorbeiführen.
7. Geringe Transparenz verringert die Therapiebereitschaft
Nicht alle Therapeut:innen legen ihren Patient:innen ihre Vorgehensweisen und Methoden offen. Manche Patient:innen werden nicht aktiv in die Gestaltung ihrer Therapie einbezogen.
Die Folge kann sein, dass eine Art hierarchisches Gefälle entsteht, in dem sich Patient:innen unsicher fühlen.
Auch kann durch mangelnde Transparenz die Therapiemotivation beschädigt werden und sogar zu einem vorzeitigen Abbruch der Therapie führen.
Nun ist es an Ihnen zu entscheiden: Welche Vorteile sind für Sie besonders wichtig? Welche Nachteile verursachen Ablehnung oder Unsicherheit? Welche weiteren fragen ergeben sich?
Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit.